Jetzt sind Sie dran

Meine Lieblingsbuchhandlung

6. Juli 2007
von Börsenblatt
Zu welchem Buchhändler haben Sie eine besondere Beziehung? Das haben wir zahlreiche Autoren gefragt und begeisterte Empfehlungen von Annette Pehnt, Martin Kluger, Antje Strubel, Hans Pleschinski und vielen anderen erhalten - nachzulesen in unserer BÖRSENBLATT-Serie "Meine Lieblingsbuchhandlung" . Jetzt sind Sie dran: Verraten auch Sie uns, wo Sie gern Ihren Lesestoff kaufen - direkt an dieser Stelle in Form eines Kommentars. Die schönsten Liebeserklärungen werden außerdem in der Printausgabe des BÖRSENBLATTS veröffentlicht.
Katrin Panier-Richter über das Büchereck Baume in Berlin "Ich überlege mir gut, ob ich hinein gehe, denn es wird jedes Mal ein längeres Gespräch daraus", schreibt Katrin Panier-Richter über ihre Lieblingsbuchhandlung. Zuletzt ist von der Berliner Autorin "Die dritte Haut. Geschichten von Wohnungslosigkeit in Deutschland“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf) erschienen. Eine Buchhandlung soll sein wie ein Wohnzimmer. Da steht vielleicht ein Sofa in der Ecke, ein abgeschabter Ohrensessel oder irgend eine andere Sitzgelegenheit. Der neugierig Eintretende darf stöbern, verweilen, sich fest lesen. Ist einfach willkommen. Ein kleiner Luxus wider den Zeitgeist: Schneller, immer schneller. "Jetzt entscheide dich, kauf gefälligst etwas, und dann troll dich, mach wieder Platz." Ein Geschäft voller Literatur soll sein, als beträte man eine andere Ära. Eine Oase versammelter Gedanken aus Jahrhunderten, als das Schreiben noch lange dauerte, Werke nicht unter hektischem Bestsellerdruck entstanden, sondern in Ruhe heranreifen konnten, bevor sie endlich geboren wurden. Werke, die diesen Geist der Langsamkeit auch heute noch um sich verbreiten, in den Räumen, in denen sie auf ihre Leser warten. So ein gemütlich verkramter Buchladen ist für mich das Büchereck Baume, nur ein paar Schritte vom S-Bahnhof Baumschulenweg in Berlin entfernt. Ich überlege mir gut, ob ich hinein gehe, denn es wird jedes Mal ein längeres Gespräch daraus. Ines Krüger, die Inhaberin, hat den verrückten Schritt in die Selbständigkeit im November 2003 gewagt. Bis dahin war sie bei Kiepert angestellt gewesen, jenem ehrwürdigen Traditionshaus, das nach über 100 Jahren seines Bestehens Insolvenz anmelden musste. Nun, als Chefin, verpasste sie ihrem Laden Schritt für Schritt Profil. Auf allen Kiezfesten war sie von Anfang an mit Bücherständen vertreten. Sie nahm auf der Stelle Kontakt zu den ortsansässigen Autoren und Autorinnen auf, zum Beispiel zu mir, organisierte Lesungen, sicherte sich einen festen Platz am monatlichen Stammtisch der Geschäftsfrauen von Berlin-Treptow. Nach dreieinhalb Jahren gehört das Büchereck zum dörflichen Bild dieses Teils der Großstadt als Bereicherung einfach dazu. Was man anderswo kaum findet, führt sie in ihrem Sortiment. Kiezliteratur, Ortsteilgeschichte, alte Postkarten. Unentwegte, die aus Leidenschaft und ohne Honorar über Treptow und Baumschulenweg schreiben, dürfen hier ihre Bücher und Kladden zum Verkauf anbieten. Zettel, Flyer, Visitenkarten verdrängen sich gegenseitig auf dem Tresen. Und wo sonst kann man das innig nachdenkliche "Ach Mama, ach Tochter" von Gisela Steineckert noch bekommen! Zuweilen fühlt sich Ines Krüger auch als eine Art "Sozialstation". Ältere Leute, die in Fernsehsendungen Tipps für Ratgeber oder Broschüren erhalten haben, suchen hier Rat, weil sie zu Hause weder Fax noch Computer besitzen. Dann wird eben die Technik im Büchereck zum Bestellen benutzt. Jeden Sommer baut gleich nebenan der türkische Obst- und Gemüsehändler seinen Stand auf. Als der Sohn dieser Migrantenfamilie über seiner ersten offiziellen Bewerbung schwitzte, bat Ines Krüger ihn in ihren Laden, formulierte mit ihm die wichtigen Sätze in der schwierigen deutschen Sprache, brachte sein Schreiben in die von Amts wegen korrekt gewünschte Form. Das Büchereck Baume ist ein Magnet geworden. Einladend zu jeder Jahreszeit - leuchtend an Weihnachten, fröhlich bunt zu Ostern, eine Zuflucht bei Regenwetter, sich nach draußen ausbreitend, sobald die Sonne scheint. Wenn ich an dieses Geschäft direkt gegenüber den Fenstern meiner Schreibwerkstatt denke, dann kommt mir ein Bild in den Sinn: Ein zartes, kleines Mädchen, das Bücher über alles liebt. Kaum ist die Schule aus, rennt sie zur Bücherei, verbringt dort Stunden zwischen den Regalen, auf denen sie den Platz jedes einzelnen Bändchens genau kennt. Sofort bemerkt sie, wenn etwas Neues dazu gekommen, etwas Vertrautes ausgeliehen ist. Sie scheint beinahe unter den Bücherbergen zusammen zu brechen, die sie am Ende auf den Armen hält, schon in stiller Vorfreude aufs Lesen und Eintauchen. Die Bibliothekarin lächelt: "Du weißt aber, dass du all die Bücher nach vier Wochen zurück bringen musst!" Das Mädchen weiß, und sie kehrt früher als nach Ablauf eines Monats zurück, um sich Nachschub zu holen. Die Autoren können nicht schnell genug schreiben, um den Lesehunger der Kleinen zu stillen. Dieses Gefühl, das ich hatte, wenn ich Bücher hin und her trug, wenn ich in deren "Quelle" eintrat wie in einen Tempel, blätterte, auswählte, atemlos schleppte, um schließlich - einen dicken Kanten Brot in der Hand - unter einem Baum im Garten oder unter der Bettdecke in meinem Zimmer, im Geschriebenen zu versinken; dieses Kindheitsgefühl stellt sich wieder ein, wenn ich an meine Lieblingsbuchhandlung im Großstadtkiez denke: An das "Büchereck Baume", Baumschulenstraße 11, Eingang Behringstraße, 12437 Berlin. Theo Pointner über die ITEM-Buchhandlung in Essen-Frintrop Steht man das erste Mal vor der Fassade der ITEM-Buchhandlung in Essen-Frintrop, wird einem zwar bewusst, dass es sich um eine Buchhandlung handelt – aber man kann noch nicht einmal ansatzweise erahnen, was sich dort alles verbirgt. Die Ladenlokale in unserer dörflichen Ladenzeile sind generell nicht so groß wie man es z. B. in Geschäften im Innenstadtbereich erwarten würde. Was Andrea Reichart, engagierte Buchhändlerin und Eigentümerin zusammen mit ihren Mitstreiterinnen auf den einhundertzehn Quadratmetern Verkaufsfläche aufgebaut hat, verdient jedoch allerhöchsten Respekt. Einerseits findet man natürlich die Top-Seller, die in keiner Buchhandlung fehlen dürfen, daneben gibt es noch regelrechte „Abteilungen“ für Kinderbücher, Schulbücher, regionale Literatur, Lyrik, Belletristik und, und, und. Natürlich mag es mancher vielleicht ein wenig beengt finden. Aber ich war sofort vom Ambiente fasziniert und verspürte eine unbändige Lust, zu stöbern und die Regale zu durchforsten. Bis hierhin mag man sagen, das sei für eine Buchhandlung nichts ungewöhnliches und eigentlich eine zwingende Voraussetzung zum Geschäftserfolgt. Stimmt. Was an ITEM jedoch ein wenig aus dem Rahmen fällt, sind folgende Sachen: Eine derart freundliche, kundenbezogene und kompetente Beratung habe ich bisher nur in sehr wenigen anderen Buchhandlungen erlebt. Es ist für jede Buchhandlung selbstverständlich, dass nicht vorhandene Exemplare in kürzester Zeit bestellt und beschafft werden – das jedoch, wenn der Kunde das Buch sofort benötigt, bei der Konkurrenz telefonisch nachgefragt wird, ob man jemandem mit einem speziellen Wunsch vorbeischicken könnte, dürfte die Ausnahme sein. Restlos um mich geschehen war es jedoch, als mir die Buchhandlung einmal geschenkt wurde. Ja, geschenkt. Nein, nicht was Sie jetzt meinen. Ich bekam einen Samstagnachmittag für mich alleine, die Möglichkeit, bei Kaffee und Gebäck nach Herzenslust zu stöbern, Bücher anzulesen, auch mal Werke in die Hand zu nehmen, die man ansonsten ignorieren oder übersehen würde. Paradiesische Zustände – einerseits für mich, weil man sich dabei wirklich wie zu Hause fühlen konnte, andererseits für den Handel, denn der Berg von Büchern, zwischen denen man sich nicht entscheiden konnte, war gigantisch. Die Rechnung für die zwei prallvoll gepackten Tüten nicht minder eindrucksvoll ... Auf absolutem Spitzenklasseniveau rangiert die Vielfalt und die Qualität der Veranstaltungen. Monatlich finden ein bis zwei Lesungen statt, thematisch querbeet, über die heiteren Ruhrgebietsbestseller von Henselowsky und Boschmann, aktuelle Sachbücher von und mit Michael Jürgs, 2005 auch mal Krimiempfehlungen der Betreiber der Website „Krimicouch“, in diesem Jahr zum 4. Mal Empfehlungen von Lektoren des Verlages Lübbe bis zu Krimilesungen aller möglichen Verlage. 2007/2008 lesen Bresser & Sprengenberg, Mechthild Bormann, Gisa Klönne, Theo Pointner, Ralf Kramp, Silvia Kaffke, Michael Siefener, Erika Kröll & Carola Classen und Klaus Stickelbrock. Alle Veranstaltungen werden eingerahmt durhc ein Feinschmeckerbüffett und einer Cocktailbar, es werden nur maximal 40 Karten im Vorverkauf angeboten, seit 2005 sind alle Lesungen frühzeitig ausverkauft. Als weitere Veranstaltungen bietet ITEM Wellness-Lesungen und Buchparties. Ich kann nur jedem, der sich mal im Bereich Essen-Frintrop aufhält den Tipp geben, zum schmökern anzuhalten. Ich wette, ohne eine prall gefüllte Büchertasche werden Sie den Laden nicht verlassen