Presseschau

Günter Grass in New York, Netzpublikationen, Anton Philipp Reclam

27. Juni 2007
Redaktion Börsenblatt
Die "FAZ" berichtet über die New Yorker Lesewoche von Günter Grass, die dem Nobelpreisträger im Voraus ausverkaufte Säle beschert. Weitere Themen: die Abgabepflicht für Netzpublikationen und der Verleger Anton Philipp Reclam.
"Beim Vorlesen der Zwiebel" - die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt über den Auftakt der New-York Lesereise von Günter Grass: Fernsehkameras bedrängen die Besucher schon im Foyer, ein buntgemischtes Publikum aller Altersklassen füllt den Saal. Über der Bühne werden in Goldlettern David, Moses, Jesaja beschworen, patriotisch umrahmt von Washington und Jefferson. Das Gespräch führt der in Österreich geborene, in Israel aufgewachsene Journalist und Schriftsteller Amos Elon. Er sagt voraus, dass „Peeling the Onion“, wie „Beim Häuten der Zwiebel“ in Amerika betitelt ist, noch lange gelesen werde, nachdem die Debatte über das Verhalten des Autors ihr Ende gefunden habe. Jeder hier weiß, um welche Debatte es sich handelt. Aber bevor noch der Gedanke aufkommen kann, dass Grass in der Fremde eine Heimspielatmosphäre erwarten könnte, die er daheim nicht vorfand, beginnt die Lesung: Auftritt des Nobelpreisträgers im sommerlich hell gemusterten Anzug. ... In den fünfziger und sechziger Jahren, unterrichtet Grass die Amerikaner, habe er seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS ja eingestanden. Aber keiner sei daran interessiert gewesen. So habe er es selbst vergessen. Oder, wie er kurz darauf nicht eben einleuchtend ausführt, er sei sich immer sicher gewesen, darüber in literarischer Form Auskunft zu geben, im fortgeschrittenen Alter. Anspielungen auf die Einsicht, die erst die Niederlage bringe und die Sieger, wie die amerikanische Gegenwart zeige, sich mühsam erarbeiten müssten, waren wolkig genug, um die Unruhe im Saal nicht überkochen zu lassen. "Die digitale Sammelwut wird gesetzlich verordnet" - die "Stuttgarter Zeitung" schreibt über das Vorhaben der Bundesregierung, das deutsche Internet zu archivieren: Klar ist den Archivaren, dass sie nicht alles sammeln können. Eine Spiegelung des gesamten deutschen Netzes wäre zu aufwendig und schlichtweg auch uninteressant. Ausdrücklich bleiben private Homepages vom Zugriff verschont, wobei die Frage, ob sie nicht auch Teil der "deutschen Kultur" sind, berechtigt wäre. Blogs wiederum, private Tagebücher, werden dazugehören, weil sie sich ausdrücklich an eine Leserschaft wenden. Dagegen werden Tageszeitungen mit einer Internetausgabe definitiv vom Gesetz erfasst. Verlage müssen wohl bald regelmäßig der Nationalbibliothek Meldung erstatten und ihre Onlineausgabe verfügbar machen. Doch hier beginnt das Problem: Onlineausgaben verändern sich im Minutentakt, werden aktualisiert, überschrieben und ergänzt. Sie sind keine statuarischen Gebilde wie eine Druckversion, sodass vollkommen unklar bleibt, welche Version für würdig befunden wird, ins Nationalarchiv zu gelangen. Der Branchenverband Bitkom schlägt Alarm. "Revolutionär des Buchmarkts" - das "Hamburger Abendblatt" erinnert an den vor 200 Jahren in Leipzig geborenen legendären Verleger Anton Philipp Reclam: Am 1. November des gleichen Jahres gründet Anton Philipp Reclam den "Verlag des literarischen Museums", der 1837 den Namen "Philipp Reclam jun." bekommen wird. Der Schwerpunkt liegt in der Veröffentlichung kritischer Schriften, zeitweise wird ihnen der Vertrieb in Österreich untersagt. Wegen der Veröffentlichung des religionskritischen Buches "Zeitalter der Vernunft" von Thomas Paynes wird Anton Philipp Reclam zu einer Haftstrafe von drei Monaten verurteilt, die er jedoch wegen der 1848 ausbrechenden Revolution nicht anzutreten braucht. Nach dem Scheitern der Revolution ändert sich auch das Programm des Reclam-Verlages. Zwar erscheinen noch immer kritische Schriften, doch immer häufiger auch lateinische und griechische Klassiker, die eine hohe Auflage garantieren. Die entscheidende Wende jedoch findet in den Jahren 1858 und 1865 statt. Anton Philipp Reclam veröffentlicht eine Shakespeare-Gesamtausgabe zum damals sensationellen Gesamtpreis von eineinhalb Talern, sieben Jahre später erscheinen die Dramen als Einzelausgaben zu zwei Silbergroschen.