"Wie Verlage die Konkurrenz im eigenen Haus inszenieren" - Hubert Spiegel schreibt in der "FAZ" über das Überangebot der Verlage:
Wer sich die Herbstprogramme der wichtigsten deutschen Belletristikverlage ansieht, muss sich wundern. Denn es werden immer mehr Bücher auf einen immer kleiner werdenden Markt geworfen. Auf den ersten Blick scheinen Fülle und Reichtum zu herrschen. Auf den zweiten Blick zeigt sich: Es herrschen Überfluss und Gedrängel. Der dritte Blick nimmt Anzeichen von Panik wahr. Dafür gibt es gute Gründe. Jeder Verleger weiß, dass das Überangebot an Titeln Buchhändler und Leser gleichermaßen überfordert. Jeder weiss auch, dass eine immer stärkere Konzentration auf immer weniger Bestseller das Geschäft bestimmt und viele Autoren aus dem sogenannten Mittelfeld, die früher vielleicht zwölftausend Exemplare verkauft haben, heute mit Mühe und Not auf drei- oder fünftausend kommen. Dennoch gibt es in diesem Herbst Verlage, die dort einen Verdrängungswettbewerb inszenieren, wo er vielleicht am gefährlichsten werden könnte: im eigenen Haus. Nehmen wir S. Fischer. Mit Monika Maron, Birgit Vanderbeke, Gerhard Roth, Christoph Ransmayr, Michael Lentz, Reiner Kunze, Julia Franck, Anita Albus und Sabine Schiffner werben neun deutschsprachige Autoren gleichzeitig um Aufmerksamkeit - und dies nicht nur im Buchhandel, sondern auch im Verlag selbst. Schließlich kann keine Presse- und Marketingabteilung sich intensiv für mehr als vier oder fünf Bücher zur selben Zeit einsetzen. ... Bei aller Freude über den reichen Bücherherbst: Es soll schon Karpfenteiche gegeben haben, in denen die Hechte vor lauter Heringen gar nicht mehr zu sehen waren. Und der Ausweg aus der ökonomischen Krise kann wohl auch nicht darin liegen, möglichst viele Titel schlecht zu verkaufen.
"Kostbar ist der Korridor" - Vier Übersetzer und der Bachmann-Preisträger Lutz Seiler kamen am Montag im Literarischen Colloquium Berlin zusammen. Die "taz" schreibt dazu:
Das Zauberwort heißt "Korridor". Es kommt in Lutz Seilers Bachmannpreis-Siegertext rund 20-mal vor. Das ist beachtlich, zumal man in Zügen eher schlicht vom "Gang" zu sprechen pflegt. Vielleicht ist das in der Turksib-Eisenbahn anders, die Stationen wie Pawlodar, Karaganda und Semey ansteuert. Solche Orte enthalten mehr Klang als Bedeutung, sodass neben ihnen der Korridor angemessen scheint. Deshalb nennt Seiler den Schaffner Conducteur. Der Korridor veredelt die Gestalten, die durch den Gang schwanken, zu Reisenden an einen mystischen Ort. Lutz Seiler las seinen Bachmannpreis-Siegertext im Rahmen eines Übersetzertreffens am Montagabend im Literarischen Colloquium Berlin. Erstmals wurde er jenseits von Wettbewerbsdruck und Jurybewertung hörbar. Zunächst aber saßen drei Übersetzerinnen aus Mazedonien, dem Kosovo und den USA auf dem Podium sowie ein türkischer Übersetzer, der lange in Wien gelebt hat und deshalb ein astreines Wienerisch sprach. Sie berichteten von ihrer Arbeit und den nationalen Buchmärkten, in denen sie sich bewegen. Am schwierigsten ist es demnach in den USA, wo nicht einmal ein Prozent aller Neuerscheinungen aus fremden Sprachen übersetzt wird. Ganz anders in Mazedonien, einem Land, das erst seit wenigen Jahren einen eigenen Sprachraum markiert. Die Übersetzerin Iva Fidanceva kann praktisch bei null beginnen und hat erst einmal Grass "Blechtrommel", Hesses "Glasperlenspiel" und Freuds "Traumdeutung" ins Makedonische gebracht - Basisarbeit, von der sie sich derzeit an einer Peter-Stamm-Übersetzung erholt.
Die Neue Zürcher Zeitung hat sich das Programm des Verlags der Weltreligionen angesehen und schreibt:
Wenn Menschen «sich davor fürchten, ihre eigenen Instinkte zu benutzen», sagte vor hundert Jahren der amerikanische Religionspsychologe William James, dann wird das verdrängte «Unbewusste» der Religion immer wieder ins Gehege der Vernunft einbrechen und dort den Wilderer spielen. Mit fortschreitender Säkularisierung begann die Vernunft, die Religion immer mehr zu verschlingen. Hat, so mögen sich die Verantwortlichen des Verlagsprogramms gefragt haben, die späte Moderne damit nicht gewissermassen selbst ihre wichtigsten Sinnstiftungsquellen
ausgetrocknet? «Nur wer sich mit dem religiösen Paradigma auseinandersetzt, erhält wirklich Zugang zur gegenwärtigen
Situation», zitiert man Giorgio Agamben, der im Herbst mit einem eigenen Buch - «Die Beamten des Himmels. Über Engel» - im Verlagsprogramm vertreten sein wird. Ebenso wie Peter Sloterdijk mit einem etwas reisserischen Titel: «Gotteseifer. Vom Kampf der drei Monotheismen». Folgt man dem Verlagsprogramm, hat sich der Westen in einer sozusagen faulen, bequemen Modernität eingerichtet, die ihre
eigene religiöse Vergangenheit vergessen hat. In der Fragestellung zumindest mag man sich an Papst Benedikts
Versuch erinnert fühlen, die Säkularisierung zu entzaubern, oder auch an Jürgen Habermas, der in seiner Friedenspreisrede zum Thema «Glaube und Wissen» seine Diskurstheorie angesichts schwindender Sinnressourcen für ergänzungsbedürftig erklärte. Der Verlag der Weltreligionen scheint an derartige Ansätze anschliessen zu wollen, in einer postsäkularen Gesellschaft das «Rad der Aufklärung» weiterzudrehen.