Interview mit Frank Thelen

"Ich werde nicht in die Buchbranche investieren"

24. August 2018
von Börsenblatt
Von Pizza ohne Kohlenhydrate (Lizza) bis zum senkrecht startenden Jet (Lilium) reichen die Investments von Frank Thelen. Richtig bekannt wurde der Unternehmer und Investor durch die Vox-Serie "Die Höhle der Löwen". Am Montag, 27. August, erscheint im Murmann Verlag seine Autobiografie "Startup-DNA. Hinfallen, Aufstehen, die Welt verändern".

Mit 42 Jahren hast du nun deine Lebensgeschichte vorgelegt. Ist das nicht etwas früh?
Ich bin 42 Jahre alt, aber ich fühle mich deutlich älter. Was ich in den vergangenen 25 Jahren an unfassbaren Höhen und Glück, aber auch an extremen Niederlagen erleben durfte, ist schon immens. Das wollte ich für alle, die sich für Gründer und Start-ups interessieren, einmal strukturiert aufschreiben.

Du schreibst nicht nur über Erfolge, Misserfolge und Liebe – ein ganzes Kapitel dreht sich um deine Frau Nathalie  - du erklärst auch Begriffe wie Blockchain, Due-Diligence-Prüfung oder Pivot-Planung. Wie kam es zu dieser Mischung aus Autobiografie und Sachbuch?
Mir war schnell klar: Man muss diese Begriffe verstehen, um mein Leben zu verstehen. Damit sich das Buch nicht holprig liest, haben wir die Erklärungen in Info-Kästen verpackt. Und weil es mir wichtig war, mein Leben authentisch und ehrlich abzubilden, gehört meine Frau Nathalie dazu.

Wie groß ist dein Schreibanteil?
Das Buch ist mein Herzensprojekt. Ich war am Anfang mit einer großen Verlagsgruppe darüber im Gespräch; für Murmann habe ich mich entschieden, weil ich eine besondere Autobiografie wollte. In große Strukturen mit Standardwegen passe ich nicht rein. An diesem Buch hat ein Zehn-Mann-Team gearbeitet; ich selber habe jedes Kapitel aufgebaut und geschrieben.

Die Buchbranche redet intensiv über funktionale Analphabeten, du redest mehr über digitale Analphabeten. Muss jeder Anwender auch programmieren können?
Wir alle haben in der Schule Physik gelernt, aber deshalb würden wir uns nicht als Physiker bezeichnen, oder? So ist es mit dem Programmieren auch. Man sollte zumindest wissen, wovon die Rede ist. Denn wie kann es sein, dass von der Kaffeemaschine bis zum Auto unsere komplette Welt mit Software funktioniert und wir Kinder ausbilden, die das nicht verstehen? Stattdessen lernen sie Latein und Altgriechisch.

Der Buchmarkt verliert kontinuierlich Leser. Weißt du ein Rezept dagegen?
Mit Murmann sind wir komplett neue Wege gegangen. Zum Beispiel haben wir das Cover nicht schon Monate vorher präsentiert, wie das sonst üblich ist. Das Buch ist mein Produkt, wie ein iPhone, das wird erst zum Verkaufsstart gezeigt. Ich habe auch mit jedem Vertriebspartner persönlich gesprochen. Es gibt viel, was in der Buchbranche seit langem akzeptiert wird, ohne dass es jemand hinterfragt. Mit Passion, Herzblut und Startup-DNA kann man Dinge groß herausbringen.

Gibt es deine Autobiografie auch als E-Book?
Ich liefere eine Experience, in jeder Ausgabeform. Beim Buch haben wir das hochwertigste Papier und den besten Umschlag genommen, im Digitalbereich wurde WhisperSync umgesetzt, beim E-Book habe ich unter anderem mehr Fotos in das Buch gepackt. Diese Liebe zum Detail sehe ich in der Buchbranche nicht oft.

Die ist aber da! Die meisten Bücher werden mit der Liebe ihrer Verleger gemacht. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf dem Inhalt.
Typisch Deutschland! Großartige Ingenieure, großartige Dichter und Denker. Was wir lernen müssen, ist die Vermarktung. Ich will keinen Marktschreier, aber Begeisterung und Storytelling gehören zum Verkaufen dazu. Ein guter Text reicht nicht.

Würdest du in einen Buchverlag investieren?
Daran hätte ich sicher Freude, aber ich habe im Moment andere Themen. Ich konzentriere mich auf Künstliche Intelligenz, Blockchain, Quantencomputing, Drei-D-Druck, E-Transportation und Energierevolution, damit habe ich mehr als genug zu tun. Hobbys wie die Fernsehshow "Die Höhle der Löwen" oder meine Autobiografie haben mich meine Nächte und Wochenenden gekostet. Jetzt ist es gut – ich werde nicht tiefer in die Verlagsbranche einsteigen.

Die Techies der Buchbranche sprechen von gedruckten Büchern übrigens gern als "Totholz".
Meine Autobiografie und viele andere Bücher auch – das ist Luxus und Entertainment. In diesem Fall ist Papier alles andere als tot. Wir haben sowieso zu viel Screentime. Ich kaufe heute alle Bücher, die ich lese, in Papierform.

Du erwartest von Gründern, 24/7 für ihr Unternehmen da zu sein. Kann man auch Ideen haben, gründen und ein Unternehmen aufbauen, ohne seine Gesundheit zu ruinieren?
Ich mag ich es einfach nicht, wenn Leute denken, Start-up ist lustig und cool. Nach dem Motto: Im Job muss ich pünktlich sein, in meinem eigenen Unternehmen kann ich kommen und gehen wann ich will. So läuft das nicht. Ich habe ein Unternehmen aufgebaut und betreue viele Unternehmen sehr intensiv. Da gibt es keinen Urlaub.

Wie lange hast du als CEO keinen Urlaub gemacht?
Bestimmt 20 Jahre. Ich sage ja nicht, dass jeder diesen Weg gehen sollte. Aber das ist der Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen. Man muss sich überlegen: Bin ich in der Lebensphase, in der ich mir das zumuten kann. Ich selber bin vor einiger Zeit aus dem aktiven Management zurückgetreten.

Dein Vorbild Elon Musk wird von der Presse gerade als tablettenabhängiger Workaholic geoutet.
Elon Musk hat im Interview gesagt, dass er unter Druck steht, weil er für sein Produkt kämpft. Und dass ihn sein Geburtstag  weniger interessiert als die Model-3-Produktion. Es nervt mich, dass die Presse von Tablettenabhängigkeit schreibt, während Musk über Schlaftabletten redet. Weißt du, wie viele Deutsche Schlaftabletten nehmen? Er spricht darüber, weil er ein vernünftiger, offener Kerl ist. Musk bringt die E-Autos auf die Straße und wir sollten ihn dafür loben. Aber was passiert: Die Leute "gehen short" (Leerverkauf von Wertpapieren, Anm. d. R.) und rauben damit einem der wichtigsten Köpfe, den wir haben, Zeit. Ich habe sehr viele Tesla-Aktien und mir ist egal wo die stehen, weil ich weiß, dass Tesla langfristig ein großartiges Unternehmen wird. Bei BMW oder Volkswagen sollte vielleicht auch einmal jemand so sehr an seinem Produkt hängen, dass er ab und zu Schlaftabletten braucht um abzuschalten.

Eine Frage zum Schluss: Manche Ideen bei "Die Höhle der Löwen" (DHDL) sind unfassbar schlecht. Die schaffen es nur wegen des Unterhaltungswerts in die Show, richtig?
Wir "Löwen" kennen die Deals vorher nicht und haben auch keinen Einfluss darauf. Ich selber ärgere mich über schlechte Produkte, weil ich meine, man könnte die Zeit besser stärkeren Gründern geben. Am Ende ist die Sendung eine Mischung aus harter Wirtschaft und Entertainment – das ist das Erfolgsrezept.

Und welches ist dein DHDL-Lieblingsprodukt?
Ankerkraut, ein Gewürzhersteller, in den ich auch investiert habe.

Was mich noch interessieren würde: Warum hat Dawanda dicht gemacht? Die Plattform schien doch so enorm erfolgreich?
Nein, sie kann nicht erfolgreich gewesen sein. Erfolgreich ist, wer überlebt. Entweder wird positiver Cashflow generiert oder das Unternehmen erhält Wagniskapital, weil die Zukunftsaussichten gut sind. Wenn ein Unternehmen seinen Betrieb einstellt, dann konnte es sich am Markt nicht positionieren und ist eben nicht erfolgreich. Über die Hintergründe von Dawanda kann ich nichts sagen.