Es ist kein Geheimnis: In den vergangenen Jahren haben Verlage auf der ständigen Suche nach dem nächsten großen Ding viel Geld in den Sand gesetzt: In seiner humorvollen Keynote gab Charlie Redmayne, CEO von HarperCollins UK, einige Beispiele: Die Aufregung um Apps, der E-Book-Hype, um nur zwei zu nennen. "Ich habe vor einigen Jahren einen Apple-Entwickler getroffen, der mir prophezeite, dass meine Kinder keine gedruckten Bücher mehr lesen würden", so Redmayne. Vor dieser denkwürdigen Begegnung habe sein Verlag hunderte Autorenwebsites ins Netz gestellt, auf die sich kein Besucher verirrt habe. Learning by failing.
HarperCollins dürfte mit seinen Fehlschlägen nicht alleine dastehen, hat aber auch ein glückliches Händchen bei anderen Entscheidungen bewiesen: Lange vor dem gegenwärtigen Podcast- und Hörbuchboom war der Verlag dazu übergegangen, sämtliche Neuerscheinungen crossmedial zu planen - also auch Hörbuchrechte auszuschöpfen. Eine glückliche Entscheidung, wie sich heute zeigt. In Großbritannien hat alleine Amazons Hörbuchdienst Audible vergangenes Jahr 97 Millionen Pfund umgesetzt.
HarperCollins dürfte mit seinen Fehlschlägen nicht alleine dastehen, hat aber auch ein glückliches Händchen bei anderen Entscheidungen bewiesen: Lange vor dem gegenwärtigen Podcast- und Hörbuchboom war der Verlag dazu übergegangen, sämtliche Neuerscheinungen crossmedial zu planen - also auch Hörbuchrechte auszuschöpfen. Eine glückliche Entscheidung, wie sich heute zeigt. In Großbritannien hat alleine Amazons Hörbuchdienst Audible vergangenes Jahr 97 Millionen Pfund umgesetzt.
Charlie Redmayne brach eine Lanze dafür, neue Zielgruppen auf dem Markt zu erschließen: Zum einen müssten Verlage auf Mitarbeiterebene die Gesellschaft repräsentieren – sich also um Angstellte mit anderen kulturellen Wurzeln und jenseits des Bürgertums bemühen. Zum anderen rief Redmayne dazu auf, sich um Kundendaten zu bemühen – und genau zu verstehen wo der Kunde welches Produkt zu welchem Preis erwerben wolle. Dass bei diesem Spiel internationale Konzerne die Nase vorne haben, daraus machte Redmayne keinen Hehl. Er rechnete vor, dass das Beste am aktuellen Podcast und Hörbuchboom aus Verlagssicht sei, dass es keine nennenswerte Kannibalisierungseffekte gebe, sondern eine vor allem eine maskuline, junge, urbane Zielgruppe angesprochen werde - „die wir bisher nicht über die traditionellen Vertriebswege erreicht haben.“ Entsprechend müsse die Marschroute lauten: So viele digitale Kanäle wie möglich erschließen und dem Buchhandel gleichzeitig den Rücken stärken. Ja, ein einziges, denkwürdiges Mal wurde der bislang wichtigste Partner der Verlage hier genannt – neue Geschäftsfelder haben anscheinend nichts an ihrer Faszination verloren.
Dass auch ein altes Konzept neu gedacht werden kann, das macht Gustavo Lembert Da Cunha vor: in Brasilien hat er mit TAGlivros die Idee des Buchclubs ins 21. Jahrhundert gebracht. In nur vier Jahren hat der Club 37.000 Mitglieder gewonnen, die sich für eine monatliche oder jährliche Mitgliedschaft entscheiden. „Die Verlage haben damals nur zur mir gesagt: Viel Glück, das wird niemals etwas!“, blickt Lembert Da Cunha heute zurück. Falsch gedacht! Umso erstaunlicher ist das rasante Wachstum, weil TAGlivros den Mitgliedern die Entscheidung abnimmt, welches Buch sie lesen sollen: Jeden Monat erhalten die Mitglieder einen Titel zugeschickt – alle denselben, immer Hochliteratur. Der Clou: Das Buch ist ein internationaler Bestseller, der in Brasilien noch nicht verlegt wurde oder der Titel wurde exklusiv für den Buchclub geschrieben. Bei der Auswahl hilft eine Riege internationaler Bestsellerautoren wie Vargas Llosa, die Empfehlungen in den Ring werfen. „Die Bücher erscheinen in hochwertiger Ausstattung in einem Schuber, das Erfolgsgeheimnis ist, dass im monatlichen Paket ein Sammelgegenstand und ein Magazin beiliegen. Unsere Mitglieder sagen: 'Jetzt ist jeden Monat Weihnachten für mich!'“, so Lembert da Cunha. Mit umgerechnet rund 13 Euro ist der Monatspreis für brasilianische Verhältnisse relativ hoch, darum gibt es jetzt einen zweiten Club, der auf Trade-Paperbacks und populärere Bücher in weniger opulten Boxen setzt, 12.000 Mitglieder gibt es hier – 5.000 von ihnen abonnieren beide Bücherboxen. Über die Club-App können sich die Mitglieder über die Lektüre austauschen und miteinander vernetzen: „Alleine im September dieses Jahres gab es 53 Clubtreffen in 39 brasilianischen Städten“, fasst der junge Gründer zusammen. Mehr noch: Es soll bereits mehrere Eheschließungen und viele neue Freundschaften im realen Leben gegeben haben. Lesen verbindet eben.
TAGlivros Nutzersttruktur
- Frauenanteil: 70 %
- Durchschnittsalter: 35 Jahre
- Anteil der Jahresabonnenten: 55 %
Zum Erfolg trägt bei, dass TAGlivros einen Webshop aufgebaut hat, in dem weitere Bücher und Geek-Accesoires wie Tassen, Poster und Taschen gehandelt werden. Übrigens hat Lembert da Cunha das hiesige Konzept des Buchklubs auf den Kopf gestellt: Denn TAGlivros erwirbt keine Lizenz, sondern überlasst das seinen Partnerverlagen. Die bringen in der Regel einige Monate vor dem regulären Marktstart die exklusive Sonderauflage auf den Markt, die TAGlivros an seine Mitglieder verschickt, um nach zwei Monaten die Verlage nicht nur auszubezahlen, sondern auch mit Daten aus der App zu versorgen: So wissen die Verlage, z.B. wie gut der Titel rezensiert wurde und was nicht gut ankam.
„Als nächstes suchen wir nach Partnern in anderen Ländern, naheliegend wäre zunächst eine Expansion innerhalb Südamerikas. Und wenn wir verstehen, wie wir ein funktionierendes Modell für Audiobooks und E-Books aufbauen können, nehmen wir das auch in Angriff“, verrät Lembert da Cunha.
Ein weiteres Streiflicht auf die Konferenz THE MARKETS: Niclas Sandin präsentierte sein Unternehmen BookBeat. Das Konzept lässt sich mit: Netflix für Bücher zusammenfassen. 2016 in Schweden gestartet, ist BookBeat mittlerweile nach Finnland, Deutschland und Großbritannien expandiert. Dort stehen zwar laut Sandin rund 10.000 Titel zur Verfügung, aber die Mehrheit der Verlage verweigerte die Zusammenarbeit mit dem Streamingdienst, der zur Bonnier-Gruppe gehört. Ergebnis: Die App funktioniert dort noch (!), das Projekt UK sei aber ansonsten derzeit „auf Eis gelegt“, so Sandin. Erfolgreicher läuft es in Schweden und Finnland – dort soll das Unternehmen dem Vernehmen nach bereits schwarze Zahlen schreiben. Genauso wie Audible, dem größten Konkurrenten auf dem deutschen Markt, können Abonnenten monatlich kündigen – für 14,95 Euro können sie aber so viele Hörbücher hören, wie sie möchten.
„Viele unserer Abonnenten kommen zu uns, weil sie ein oder zwei Hörbücher im Urlaub hören möchten. Später hören sie 10 Audiobooks im Jahr“, so Sandin.
BookBeat in Zahlen
- 130.000 Nutzer
- 4,5 Millionen gehörte Audiobooks
- 50 Mitarbeiter
- Durchschnittliche Hördauer: 24 Stunden / Monat (Vergleich: Spotify: 25 Stunden)
Herausforderung für BookBeat ist, dass die Titelauswahl groß genug ist, sich also genug Verlage finden, die das Modell mittragen wollen. Ähnlich wie bei vergleichbaren E-Book-Diensten fürchten die Unternehmen aber einen Preisverfall – hierzulande können Skoobe und die Onleihe ein Lied davon singen. Doch auch BookBeat kann starke Argumente ins Feld führen: „Die Nutzer hören mehr, weil ihnen die Kaufentscheidung abgenommen wurden. Sie haben ja bereits bezahlt“, erklärt Sandin. Die App mache die Nutzung komfortabel – über Algorithmen werde das Angebot mit jeder Nutzung immer besser auf den individuellen Hörer abgestimmt, das nächste Hörbuch sei immer nur einen Klick entfernt. Außerdem wertet BookBeats aus, wie viele Nutzer das Hörbuch beginnen, wie viele es beenden und wie die Bewertungen ausfallen – wertvolle Daten, mit denen die Verlage arbeiten könnten – denn das Subskriptionsmodell auf dem Vormarsch ist, wer wollte das bestreiten? Im Anschluss an THE MARKETS zog sich das Thema über beinahe alle Panels beim traditionellen Rights Meeting, bei dem auch Buchmärkte wie China und Polen beleuchtet wurden.