Wie Kochbuchhersteller ihre Ressourcen nutzen

Im Rahmen bleiben

2. November 2018
von Börsenblatt
Kochbücher von heute sollen einzigartig sein: mit einer originellen Gestaltung, ausgefallenen Materialien und einer verführerischen Haptik. Aber die Kosten dürfen nicht durch die Decke gehen. Für Hersteller bedeutet dies, das Größtmögliche aus begrenzten Ressourcen herauszuholen.

Wer in seiner Küche noch Großmutters Kochbuch benutzt, kann sich eine Vorstellung davon machen, wie solche Ratgeber früher aussahen: ein robuster Einband, klein gedruckte Rezepte, maximal ein paar Schwarz-Weiß-Zeichnungen zur Warenkunde – nutzwertig und schlicht in der Aufmachung.

Heutige Kochbücher hingegen betreiben einen inszenatorischen Aufwand, der immens ist. Sie müssen im Konzert aller Medien und einer visuell aufgeladenen Wirklichkeit auffallen. Ihre Botschaft muss bereits in der Gestaltung "rüberkommen". Der herstellerische Anteil bei solchen Büchern – vor allem bei Coffee-Table-Titeln – ist natürlich enorm. Gleichzeitig machen die Produkte deutlich, wie viel Technologie heute bei Buchgestaltung und -produk­tion zur Verfügung steht, um bestimmte Effekte zu erzielen.

Das alles hat aber auch seinen Preis. Und es ist für jeden Herstellungsleiter daher eine Herausforderung, die gestalterischen Ansprüche mit den Kosten für Material und Produktion unter einen Hut zu bringen. Dorothee Whittaker, Herstellungsleiterin beim DK Verlag, kann diese Entwicklung bestätigen: "Es ist tatsächlich so, dass der Wunsch nach ausgefallenen Materialien, einer besondern Haptik und speziellen Veredelungen immer größer wird. Gerade auch Kochbücher sind von diesem Trend nicht ausgenommen und stellen uns kalkulatorisch vor Herausforderungen."

Wie DK legen auch andere Verlage mit Kochbuchschwerpunkt Wert auf eine ansprechende Ästhetik, auf hochwertige Foodfotografie und -grafik und auf solide Verarbeitung. Doch wie kann man die hohen Ansprüche einlösen, ohne dass die Kos­ten aus dem Ruder laufen?

Für Michael Gschrei, Director Produktion bei Callwey, ist eine kostenbewusste Produktion "nur mit einem erfahrenen Team und tollen Partnern" möglich. "Wir produzieren ausschließlich am Standort Deutschland und mit Partnern, die uns einen intensiven Austausch ermöglichen und mit uns gemeinsam unsere Bücher entwickeln." Dabei werden auch Ideen zu Ausstattungen und Veredelungen ent­wickelt, "die oftmals nicht teuer sind, aber an den richtigen Stellen eingesetzt, tolle Effekte ergeben".

Die Entscheidung für bestimmte Ausstattungsmerkmale hängt auch von dem Preissegment und der Zielgruppe ab, für die ein bestimmter Titel produziert wird. Während es bei einem schlanken Küchenratgeber eher auf sparsame, aber effektvolle Features ankommt, steigen die herstellerischen Ansprüche für ein Kochbuch, das als Sammler- oder Coffee-­Table-Buch einen besonderen, einzig­artigen Auftritt haben soll. "Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt", sagt Michael Gschrei, "und die Diskussionen um die Ausstattung können oft lang und intensiv sein. Gerade bei den Kochbüchern im höheren Preissegment lassen wir uns ungern Fesseln anlegen."

Dennoch sei sowohl dem Lektorat als auch der Herstellung klar, dass man sich "in einem gewissen Kostenrahmen" bewegt. Das gilt auch für einen so besonders gestalteten Band wie "Zu Gast auf Sylt": Dieser Band sei das beste Beispiel dafür, "wie wir Bücher mit wenig Aufwand und moderaten Kosten zu etwas Einzigartigem machen".

Das Cover simuliert die Haptik alter stumpfer Wandfliesen. Erzielt wird der Effekt durch

  • matte Cellophanierung und
  • Prägung in den Fugen.


Schlägt man das Buch auf, wirkt es so, als habe jemand Sand in den Bund zwischen Deckel und Vorsatz gestreut. Auch hier kommt ein besonderer Effekt zum Einsatz: "Die Sandhaptik ist ein Relieflack, der mit mehreren Sieben aufgetragen wird, um eine unterschiedliche Körnung zu erreichen und somit eine sandige Oberfläche zu imitieren. Dazu waren zwar mehrere Tests und Andrucke nötig, aber am Ende ist auch das kein Sonderfall und somit ebenfalls kos­tengünstig umzusetzen."

Dass ein gut ausgebildetes, erfahrenes Team entscheidend für eine kostenbewusste Produktion ist, glaubt auch Thomas Narr, Leiter der Herstellung bei Gräfe und Unzer. Das wird auf allen Stufen der Prozesskette sichtbar. Bereits in der Druckvorstufe stellt das Herstellungsteam die Weichen für ein optimales Druckergebnis – von Satz und Layout im Redaktionssystem bis zu abschließenden Farbkorrekturen.

Beim Druck pflegt Gräfe und Unzer langjährige Lieferantenbeziehungen und schnürt Aufträge zu monatlichen Paketen. "Das freut die Druckereien und wirkt sich positiv auf die Stückkosten aus. Einzelaufträge vergeben wir nicht", so Narr. Skalen­effekte bei der Vergabe von Druckaufträgen nutzen auch andere Verlage, so etwa der Christian Verlag in der Verlagsgruppe GeraNova Bruckmann. "Beim Druck lässt sich durch ein hohes Auftragsvolumen eine kostengünstige Produktion ermöglichen, indem wir die Bücher aller Verlags-Labels zusammen produzieren lassen", sagt etwa Bettina Schippel, stellvertretende Herstellungsleiterin bei GeraNova Bruckmann.

DK profitiert davon, unter einem internationalen Dach agieren zu können, wie Dorothee Whittaker erläutert: "Das gibt uns produktionstechnische Möglichkeiten, die wir alleine nicht hätten. Bei unserem Herbsttitel 'Kochen in Perfektion' beispielsweise haben wir mit einem französischen und einem spanischen Verlag kooperiert." Dank solcher Synergieeffekte ließen sich Kosten sparen und faire Ladenpreise realisieren. Das Druckvolumen verteile DK weltweit. "Unsere Kochbücher werden sowohl in Deutschland, Italien und Osteuropa produziert als auch – gerade im Bereich der Koproduktion – in Fernost", so Whit­taker.

Die Bündelung von Druckauflagen macht sich auch der Knesebeck Verlag zunutze. So konnte etwa Seppe Nobels' Gemüsekochbuch "Greens that taste like friendship", das mit Schweizer Bindung, Lesebändchen und Bauchbinde ausgestattet ist, trotz seiner besonderen Gestaltung so produziert werden, dass es zu einem Ladenpreis von 35 Euro angeboten werden kann. "Da das Buch eine Lizenzproduktion für mehrere Länder und Sprachen ist, konnten wir dank eines kombinierten Drucks die Auflage so güns­tig kalkulieren", sagt Fabian Arnet, Leiter der Grafik bei Knesebeck. "Man konnte bei der Produktion den Farbdruck für die Abbildungen komplett durchlaufen lassen und musste bei den verschiedensprachigen Texten jeweils nur die Schwarzplatte austauschen."

Aus kalkulatorischen Gründen müsse  man sich ohnehin nur selten von einer ursprünglich gefassten Gestaltungsidee verabschieden, fügt Arnet hinzu. "Die besondere Herausforderung liegt letztlich darin, gestalterisch raffiniert auszuschöpfen, was innerhalb des gesteckten Rahmens an Möglichkeiten realisierbar ist."

Ein Problem, mit dem derzeit alle Hersteller zu tun haben, sind die massiv gestiegenen Papierpreise. Jeder entwickelt unterschiedliche Strategien, um seine Kalkulation zu retten. Thomas Narr von GU versucht die Preiserhöhungen dadurch zu kompensieren, dass er auf andere, qualitativ gleichwertige Sorten umsteigt. "Dabei bleiben die Bücher unverändert, aber die Kosten sind im besten Fall niedriger", so Narr.

Trotz gestiegener Papierpreise verzichten Hersteller aber ungern auf besondere Ausstattungsmerkmale. Bettina Schippel von GeraNova Bruckmann handelt mit den Druckereien fixe Preislisten aus, mit denen man langfristig kalkulieren kann.

Für Michael Gschrei von Callwey kommt es nicht infrage, den Preisanstieg auf dem Rücken der Kunden auszutragen. "Wir setzen vielmehr auf qualitativ hochwertige Papiere in gängigen Bogenformaten und kaufen diese zum bestmöglichen Zeitpunkt in größeren Mengen ein. Unsere Buchprogramme drucken wir zum größten Teil auf zwei bis drei Papiersorten und in möglichst ähnlichen oder gleichen Formaten, sodass wir auch durch den Zusammendruck mehrerer Bücher Kostenersparnisse generieren können."

Der Knesebeck Verlag versucht, Papierpreiserhöhungen, die laut Fabian Arnet "voll durchgereicht" werden, dadurch abzumildern, dass mehrere Titel mit demselben Papier termingleich bei einer Druckerei gebündelt werden. Dadurch verbessern sich die Verhandlungsmöglichkeiten insgesamt – und auch die Papierpreise.

Papier ist aber nicht nur das Material, das mit Rezept und Bild bedruckt wird, – es muss zugleich so beschaffen sein, dass es dem Verwendungszweck dient. Entsprechend setzt der Hädecke Verlag auf Materialien, die einerseits dem Thema dienen und andererseits auch praktisch sein müssen. "Beim Kochen tropft schnell mal was daneben. Die Innenseiten sollten bei einem hohen Nutzungsgrad auch entsprechend beschaffen, also beispielsweise abwischbar sein", so Simone Graff, die die Herstellung im Haus leitet. Qualität auch bei steigenden Papierpreisen zu sichern, stelle den Verlag zunehmend vor kalkulatorische Herausforderungen. "Wir haben uns just bei einer Produktion für ein höhervolumiges Alternativpapier mit etwas geringerer Grammatur entschieden, wodurch der geplante Ladenpreis zu halten war." Auch Lesebändchen gehören für sie zum umfangreicheren Kochbuch dazu: "Wir setzen es ein, wann immer es geht, obwohl es eigentlich purer Luxus ist."

Bei allem Kostenbewusstsein: Eine schöne Ausstattung macht nicht nur den Hobbyköchen am Herd, sondern auch den Verlegern Freude. Der neue Hädecke-Band "Irish Whiskey" von Daniela Brack beispielsweise wird mit einer Metallicfarbe geschmückt – "damit bekommt das Cover die Anmutung einer Whiskey-Brennblase aus Kupfer", meint Graff, die gerade mit dem Titel "Feuerfest" auch ein Kochbuch mit 100-prozentigem Recyclingpapier produziert hat. Von der Druckqualität der Bilder ist sie ganz begeistert. "Feuerfest"-Autorin Lisana Hartl macht sich für ökologische Lebensmittel stark: "Da war Recyclingpapier einfach ein Muss. Darüber hinaus versuchen wir möglichst, FSC-zertifiziert zu produzieren."