Christoph Hirsch über Nachhaltigkeit als Verlagskonzept

Gelebter Wandel

20. Dezember 2018
von Börsenblatt
Bei oekom ist Nachhaltigkeit nicht nur Programminhalt, sondern ein durchgängiges Konzept für Verlag und Produktion. Das will man künftig auch für Ratgeber nutzen, wie Christoph Hirsch erläutert.

"Nachhaltig und ressourcenschonend produzieren liegt im Trend" hieß es dieses Jahr im Börsenblatt (Ausgabe 26). Skizziert wurden dort die Bemühungen einiger Verlage, ihren Umweltauftritt durch CO₂-Kompensation oder "öko-zertifiziertes" Drucken zu verbessern. Vor wenigen Wochen ging es nun auch der Einschweißfolie an den Kragen, und zwar erstmals bei Hardcovern mit Schutzumschlag.

In die Buchbranche scheint Bewegung zu kommen und das freut uns, denn der oekom verlag will nicht nur Vorreiter sein, sondern Impulse geben. Das aktuelle Aufspringen verschiedenster Verlage auf den Nachhaltigkeitszug bestätigt uns, dass wir richtig damit lagen, seit 2008 unseren CO₂-Ausstoß zu kompensieren, 2014 und 2016 mit Cradle-to-cradle – also einer echten Kreislaufwirtschaft – und dem "Blauen Engel für Druckerzeugnisse" zu experimentieren und, beginnend mit unserem Bestseller aus dem Jahr 2016, "Besser leben ohne Plastik", bei Broschuren konsequent auf das Einschweißen in Plastik zu verzichten. Für einen Verlag, der nichts anderes will als Nachhaltigkeit, ist eine zeitgemäße "Ökoperformance" schlichtweg Programm; wer Bücher wie "Befreiung von Überfluss", "Einfach öko" oder "Wohlstand ohne Wachstum" verlegt, muss sich beim Drucken anders aufstellen, um glaubwürdig zu sein.

Glaubwürdigkeit und Authentizität – das ist es, was oekom von Beginn an auszeichnet. Das von Jacob Radloff gegründete Einmannunternehmen für ökologische Kommunikation hat sich zu einem gestandenen Kleinverlag entwickelt, der heute elf Zeitschriften publiziert, pro Jahr über 60 Bücher herausbringt und 2019 sein 30-jähriges Bestehen feiert. Nach dem Motto "Engagiert statt nur betroffen" hat er seine Produktion stetig ausgeweitet und verstößt damit permanent gegen seine Skepsis am (Wirtschafts-)Wachstum, die seine Bücher immer wieder thematisieren. Aber zu dieser Art Wachstum sagen wir uneingeschränkt Ja; es ist gut und wichtig, dass das Nischenthema Nachhaltigkeit drauf und dran ist, Mainstream zu werden.

Doch kann man mit diesem Thema auch finanziell erfolgreich sein? Man kann. Die Absatz- und Umsatzrückgänge der Branche beschäftigen uns natürlich; wir können sie aber für uns nicht bestätigen. Programmatische Entscheidungen haben dabei sicherlich eine wesentliche Rolle gespielt. Hier gehen wir seit 2016 neue Wege, indem wir uns mit gleichermaßen intelligenten wie populären Ratgebern neue Zielgruppen erschließen. Die Herausforderung ist dabei eine doppelte: sich im hart umkämpften Ratgebermarkt zu etablieren, ohne dabei unsere Kernzielgruppe aus den Augen zu verlieren, die weiterhin sachlich fundiert informiert werden will über Pestizide, Klimawandel & Co.

Doch siehe oben: Der Erfolg gibt uns recht, und so gehen wir diesen zweigleisigen Weg auch im kommenden Jahr weiter, indem wir mit der neuen TCM-Ratgeberreihe Yang Sheng das so wichtige Thema Gesundheit populär besetzen und im Herbst vergriffene oder zu Unrecht in Vergessenheit geratene Klassiker der Ökoliteratur neu auflegen.

"Eine andere Welt ist nicht nur möglich. Sie ist im Entstehen. An einem stillen Tag höre ich sie atmen." Diese Metapher der indischen Autorin Arundhati Roy ist nicht nur wohltuend und tröstlich, sie macht Mut, weiterhin an etwas mitzuwirken, was längst begonnen hat: der Wandel hin zu einer Welt, die im Einklang mit der Natur und ihren Ressourcen lebt.

Christoph Hirsch leitet im oekom verlag den Unternehmensbereich Bücher und ist für Programm-planung und Projektmanagement im Sachbuch verantwortlich.