EU-Urheberrechtsreform kommt ins Stocken

Kein Kompromiss in Sicht

22. Januar 2019
von Börsenblatt
Verlage und Start-ups streiten um die Ausgestaltung des Leistungsschutzrechts. Die EU-Staaten finden keine einheitliche Position. Eine für Montag angesetzte Verhandlung wurde von EU-Rat, Kommission und Parlament kurzerhand abgeblasen.  

Zwei Artikel sorgen für Streit
Soll Google für Textauszüge von Artikeln auf Google News zahlen müssen? Sind Dienste wie YouTube haftbar für das Verhalten ihrer Nutzer? Seit Wochen machen Videos von YouTubern die Runde, die davor warnen, dass die Google-Tochter sich dazu gezwungen sehen könnte, künftig Uploadfilter einzusetzen, um bei Urheberrechtsverletzungen auf der sicheren Seite zu sein. Die Befürchtung: Parodien, Cover, Memes, Reaktionsvideos und andere Formate könnten künftig blockiert werden, treffen würde es vor allem die kleinen Kanäle. Die Panik schüren unklare Formulierungen im Gesetzesentwurf zur Urheberrechtsreform – genauer: im berüchtigten Artikel 13. Auf der anderen stehen Künstler und Urheber, die über die Nutzung ihrer Werke auch im Internet verfügen wollen und sich durch eine Gratismentalität faktisch enteignet sehen.

Zu den schärfsten Kritikern der Reformpläne zählen viele Start-Ups. Florian Nöll, Vorsitzender des Startup-Verbandes, freute sich am Montag über das vorläufige Aus der Gespräche: "Dass der letzte Verhandlungstermin zur Europäischen Urheberrechtsreform abgesagt wurde, hatten wir nicht mehr erwartet. Umso größer ist die Freude darüber, dass diese innovations- und investitionsfeindliche Reform vor den Europa-Wahlen aller Voraussicht nach nicht mehr kommen wird.“

Harter Schlag für die Buchverlage
Das Aus der Verhandlungen hätte Konsequenzen für die Buchverlage. In Artikel 12 der Reform soll die Grundlage für eine künftige Verlegerbeteiligung gelegt werden. Dadurch könnten Verleger an den Einnahmen Verwertungsgesellschaften (VG Wort, GEMA, für gesetzliche Vergütungsansprüche auf nationaler Ebene beteiligt werden. Dies war jahrzehntelange Praxis gewesen, bis in mehreren Urteilen (2014 und 2015) die Rechtmäßigkeit der Verlegerbeteiligung in Frage gestellt worden war. In Konsequenz konnte die VG Wort seither keine Ausschüttung mehr an Verlage vornehmen. Vor allem kleine Verlage ohne Finanzpolster waren von dem Wegfall der Verlegerbeteiligung stark betroffen. Noch im Mai hatten der Börsenverein, VG Wort und der Journalistenverband djv die EU-Kommission zu Reformen des Artikels aufgefordert, der Rechtsunsicherheiten beseitigen sollte. Die Reformvorschläge wurden eingearbeitet und gelten in den einzelnen Ländern als weitestgehend unstrittig. Doch nun geht das Zittern um eine künftige Verlegerbeteiligung weiter, weil auch ein weiterer Artikel für Streit sorgt.

In Artikel 11 soll das Leistungsschutzrecht geregelt werden. Die EU-Mitgliedstaaten sind sich etwa uneinig darüber, ob Google News weiterhin kurze Textausschnitte ("Snippets") aus Artikeln und Blogposts zur Beschreibung von Links frei nutzen darf. Die Verlage fordern für die Nutzung ihrer Inhalte eine Lizenzgebühr oder Entschädigung, schließlich verdiene Google Geld durch Anzeigen auf der Google-Suche. Der Konzern kontert, die Suche bringe Traffic auf die Websites der Verlage, dies sei Entschädigung genug. 2014 hatte Google seinen Dienst Google News in Spanien eingestellt, um Zahlungen zu entgehen.

„Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Rat mehr Zeit braucht, um seine Haltung festzulegen. Die Urheberrechts-Richtlinie bleibt eine Priorität für die EU-Institutionen und eine Schlüsselreform für europäische Bürger, Kreative und die Presse. Wir als EU-Kommission werden dem Rat und dem Parlament helfen, eine Einigung so schnell wie möglich zu finden“, zitierte „Deutschlandfunk“ EU-Kommissionssprecher Margaritis Schinas.

Wird noch im Februar weiterverhandelt?

Sollten die EU-Mitglieder sich einigen könnten, welche Reformvorschläge eingearbeitet werden können und zur Abstimmung vorgelegt werden sollen, könnte der Trilog am 5. Februar bereits weitergehen. Ob es dazu kommt, steht bislang nicht fest. Scheitern die Verhandlungen, müsste die Verlegerbeteiligung auf nationaler Ebene geregelt werden. Eine europäische Lösung würden Börsenverein und Verwertungsgesellschaften bevorzugen.