Novitäten zum 150. Geburtstag

Rilke: Sensibelchen oder Stratege?

4. Dezember 2025
Stefan Hauck

Wer war Rainer Maria Rilke? Der 150. Geburtstag des Dichters am 4. Dezember bietet Anlass, sich ihm auf unterschiedlichste Weisen zu nähern. Der Büchertisch jedenfalls ist reich gedeckt: eine Auswahl.

Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke 1899 in einer Bleistiftzeichnung von Leonid Pasternak.

Wer in der Buchhandlung Netzel in Worpswede einkauft, kann noch die Flasche mit Tinte sehen, aus der auch Rilke seine Tinte bezog; Buchhändlerin Silke Schroeter arbeitet an Rilkes altem Wohnzimmertisch. Dass der Dichter und die Maler und Bildhauer der Worps­weder Künstlerkolonie auch nur Alltagsmenschen waren, beschreibt Schroeter in der Buchhandelsgeschichte "Oh, ihr teuren Netzel-­Mädchen!" (Edi­tion Falkenberg, 208 S., 19,90 €). Eine der Künstlerinnen ist Clara Westhoff, Freundin Paula Modersohn-Beckers: Die beiden lernen dort Rilke kennen – und er ist von ihnen fasziniert. Clara wird er 1900 heiraten. Simone Frieling beschreibt in "Da rauscht das Herz" (Ebersbach und Simon, 144 S., 20 €) offen und ohne Scheuklappen Rilkes Beziehungen zu Frauen – zu seiner Mutter, zu Geliebten, zu Mäzeninnen wie Marie von Thurn und Taxis, zu Verehrerinnen wie Marina Zwetajewa. Auch wenn er charmant aufzutreten wusste, war er zeitlebens ichbezogen. "Tyrann, lieblos" notiert dort etwa Otto Modersohn über Rilke als Ehemann. 

Roland Fritsche stellt Rilkes Beziehung zu Clara in den Mittelpunkt seines Romans "Lebe nahe bei dir Tag um Tag" (Gmeiner, 304 S., 18 €). Auf der Grundlage von Dokumenten und Briefen lässt sich mit dramatischen Zuspitzungen die Beziehung zwischen dem exzeptionellen Dichter und der talentierten Bildhauerin nacherleben. Seine zwischenmenschlichen Beziehungen zeichnet Melanie Garanin in ihrer Graphic Novel "Mein Freund Rilke" (Carlsen, 192 S., 26 €) nach, wagt das Experiment, eine Journalistin namens Ellen auf einen in die Gegenwart versetzten Rilke treffen zu lassen. Durchsetzt mit zahl­reichen Rilke-Zitatschnipseln, versucht Ellen, das Werk des Dichters zu erfassen, verliebt sich tastend in den auffallend spritzigen Rilke als attraktiven Gegenentwurf zu ­Ellens nüchternem Lebenspartner. Suchend fährt sie die Lebensstationen des leicht "verstaubten Kopfverdrehers" ab: Mehr nachzufühlen als Fakten zu vermitteln, mag seiner Lyrik adäquat sein. 

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