(und das liegt, wenn man Müllers eher melancholisches fußballerisches Nachleben bei den Fort Lauderdale Strikers außer Acht lässt, bald 30 Jahre zurück). So wie »kleines dickes Müller« staubte später nie mehr einer ab. Ja, das Abstauben ist heute vielen kein Begriff mehr, geschweige denn ein Anliegen.
Gutheißen können wir das nicht. Denn ohne Abstauber legt sich auf Bücher mit der Zeit eine fiese graue Schicht kleiner und kleinster Partikel. Krümel, Schuppen, Abriebe, Pollen, Körner, Milben, Pilze, Sporen: Diese ganze mikrometerfeine Gesellschaft deckt unsere Kulturgüter zu, imprägniert sie wirksam gegen die Zudringlichkeit des Lesers. Niemand mag solche Schriften dann noch aufschlagen. Literatur, die Staub aufwirbelt, nein, das wünschen Kunden nicht. So bleiben die Bücher im Regal stehen und nehmen ihren noch sauberen Nachgeborenen immerhin 90.000 im Jahr den Platz weg. Time goes by, die angestaubten Titel wandeln sich still zur Backlist, man muss wohl sagen: zur Drecklist.
Das alles ist sehr schlecht für die Distribution unserer vielen Bücher. Sehr gut hingegen ist es, dass der Branchenratgeber Langendorfs Dienst jetzt eine Serie startet mit dem Titel »Kampf gegen den Staub«. Sie beginnt so: »Leider gelten gerade Bücher als besonders effektive Staubfänger, und wer nicht nur Schnelldreher verkauft, hat seine Last damit.« Es war höchste Zeit, dass jemand das Thema einmal anspricht.
Die Hamburger Putzhilfe verliert sich nicht lange im Theoretischen der Staubforschung, einer übrigens prosperierenden Disziplin, sondern gibt nützliche Hinweise und beruft sich dabei auf ordentlich beleumundete Quellen wie das Internet-Portal
www.frag-mutti.de. Dort zum Beispiel erfährt nicht nur der Junggeselle aus dem Sortiment, wie er bei der Entstaubung seiner Ware vorzugehen hat: mit feuchtem Tuch sowieso, am besten aber noch mit einem Staubwischwasser, in welches zuvor ein »paar Tropfen Weichspüler« hineingegeben worden sind. Frag-mutti sagt, das wirkt antistatisch und verhindert die allzu rasche Ansiedlung neuer Partikelgemeinschaften.
Ohne sich auf eine Autorität zu berufen, empfiehlt Langendorf außerdem, »von oben nach unten« zu arbeiten, damit nicht herabrieselnder Schmutz auf bereits geputzte Bücher fällt. Das ist keineswegs trivial. Sich nach oben arbeiten kann jeder.
Der Branchendienst nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund und verlangt Sortimenterinnen und Sortimentern größten Einsatz ab. »Wer wirklich gründlich arbeiten will, kommt nicht umhin, die Bücher aus dem Regal zu nehmen.« Bei besonders starkem Staubbefall wird gar empfohlen, vor einem mehrfachen Auf- und Zuklappen der Bücher »ins Freie« zu gehen.
Gerd Müller stand auch meist frei, wenn er abstaubte.