Presseschau

Deutscher Übersetzerfonds, Norman Mailer

24. September 2007
Redaktion Börsenblatt
"So viele Erfolge der Fonds auch vorzuweisen hat, wunschlos zufrieden ist die Zunft noch lange nicht" - die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet über das Geburtstagsfest des Deutschen Übersetzerfonds. Ebenfalls Thema: der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer.
"Gutgelauntes Jubiläum" - Joachim Güntner war für die "NZZ" beim Geburtstagsfest des Deutschen Übersetzerfonds: In der hübschen Hanglage des Literarischen Colloquiums an Berlins Wannsee war man zusammengekommen, um an zwei Tagen über das zehnjährige Bestehen des Deutschen Übersetzerfonds zu jubilieren. Eingefunden hatten sich auch der Bundespräsident (der klug schwieg), der Kulturstaatsminister (der weniger klug redete) und als Stargast Umberto Eco, der seine Gedanken in einem wohltönenden Upperclass-Italienisch formulierte, dem zu lauschen eine wahre Freude war. In der kurzen Dekade seines Bestehens hat der Übersetzerfonds viel erreicht. 535 Stipendien für Projekte vermochte er zu vergeben, wobei es seine Absicht stets war, den Stipendiaten für die Übertragung eines Buchs von Geldsorgen zu entlasten – in der wohlbegründeten Hoffnung, dies komme auch der Qualität des Textes zugute. Zahlreiche Seminare, Werkstätten und eine «Akademie der Übersetzungskunst» verdanken dem Fonds ihr Leben. Politiker können sich brüsten, den Etat innert zehn Jahren auf das Achtfache hochgetrieben zu haben – was freilich bloss einen Fingerzeig gibt auf die karge Erstausstattung. Vom kommenden Wintersemester an wird es überdies eine August-Wilhelm-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung geben. Der Shakespeare-Übersetzer Frank Günther bekleidet sie als Erster. Noch so ein Triumph, den die beständig nach Anerkennung dürstenden Übersetzer in Berlin mit Freude quittierten. Die Stimmung der Feiernden war gelöst und familiär, das Niveau der Diskussionen hoch, was aber anti-akademische Affekte nicht ausschloss. "Hitler war eine Heulsuse" - WELT ONLINE sprach mit Norman Mailer unter anderem über das übersinnliche Böse und das Altern: WELT ONLINE: Sie stammen aus einer jüdischen Familie. In Ihrem neuen Roman wenden Sie sich der Nazizeit zu. Mailer: Ich lebe mit Hitler, seit meinem neunten Lebensjahr. Meine Mutter begann bereits 1932, mich vor ihm zu warnen. WELT ONLINE: Wie warnt man einen Neunjährigen? Hitler als Schwarzer Mann, der einen holt, wenn man sein Gemüse nicht essen will? Mailer: Ganz genau. Da war dieser Unbekannte da draußen, der kommen und mich töten würde. Später, als ich zwölf, dreizehn war, war Hitler dann ein sehr realer, wichtiger Teil meines Lebens. Wir wussten, früher oder später würde es einen Krieg geben. So stand Hitler all diese Jahre in irgendeiner Form im Zentrum meiner Gedanken. WELT ONLINE: Hitler war also ein Teufel? Mailer: Ich glaube, der Teufel war im Herzen Adolf Hitlers. Hitler war kein besonders beeindruckender Mensch. Er war hysterisch, eine Heulsuse, hat regelmäßig Tobsuchtsanfälle bekommen. Und doch war er als Politiker in gewisser Weise genial. Ich tendiere dazu anzunehmen, dass eine fremde Macht dahintersteckte. Jemanden wie Stalin können wir begreifen – er war menschlich in seiner Monstrosität, er war brutal, stark, entschlossen. Aber Hitler war als Mensch zu klein, zu schwach. Es gibt keine Erklärung für seine Grausamkeit, es sei denn, man nimmt an, dass er nicht allein war. WELT ONLINE: Das heißt, dass die Deutschen nicht „nur“ Hitler folgten, sondern einer überirdischen Kraft. Steckt darin nicht eine Entschuldigung für Hitlers „willige Vollstrecker“? Mailer: Warum? Wer hat ihnen gesagt, dem Teufel zu folgen? Da gibt es auch noch Gott. Heißt das, die Menschen haben Gott im Stich gelassen, um dem Teufel zu folgen? Ist das nicht schlimmer? Und außerdem: Wenn der Teufel angeklagt werden muss, ist die Lage nicht beunruhigender? Hitler ist fort, den Teufel gibt es noch. Denken Sie darüber mal nach! WELT ONLINE: Ich denke, Hitler als Marionette des Teufels zu präsentieren, verharmlost Nazi-Deutschland. Mailer: Es ist nicht so, dass alles des Teufels Schuld ist. Es ist für ihn harte Arbeit, eine Seele zu besitzen. Mal hat er einen Teil erobert, dann verliert er sie wieder, dann bekommt er ein größeres Stück. Es ist ein Kampf zwischen drei Parteien: der Teufel, Gott und der Mensch. WELT ONLINE: Die „drei Königreiche“, wie es im Roman heißt. Sie entwerfen darin ein ausgefeiltes Ordnungssystem, in dem Gott der Schöpfer ist und der Teufel der Manipulator. Mailer: Genau. Er muss nehmen, was kommt. WELT ONLINE: Ist der Teufel cleverer als Gott? Mailer: Möglich. Es ist der faire Kampf zweier gleichberechtigter Prinzipien, also müssen sie auf unterschiedlichen Gebieten ihre Stärken besitzen. Der Teufel ist wahrscheinlich intellektueller als Gott. WELT ONLINE: Sie erzählen eigentlich die Geschichte von Hitlers Vater Alois und legen nach Adolfs Geburt den Schwerpunkt auf seine ersten Lebensjahre. Mailer: Stimmt, bis jetzt ist er nur auf dem besten Weg, ein weiterer eher unangenehmer Halbwüchsiger zu werden. Aber ich fand, ich müsste den Boden bereiten für das, was kommt. Deshalb hoffe ich, dass ich noch lang genug lebe, um die Fortsetzung schreiben zu können. WELT ONLINE: Haben Sie schon damit angefangen? Mailer: Nein, es war ein harter Sommer für mich. Ich bin immerhin 84, und ich fühle das Alter nahen! Wir unterhalten uns jeden Morgen, wir zwei, das Alter und ich. WELT ONLINE: Und worüber sprechen Sie so? Mailer: Ich muss mir jeden Tag anhören: Schreib, aber schreib schnell, wenn du damit noch fertig werden willst. Wenn ich 50 wäre, würde ich die nächsten 20 Jahre mit dem Projekt verbringen und fünf Bände herausbringen. Und dafür fließend Deutsch lernen! Aber so wie die Dinge liegen, schaffe ich vielleicht noch Band zwei.