Interview mit Jacks Thomas, Direktorin der London Book Fair

"Wir werden die Probleme lösen"

12. März 2019
von Nicola Bardola
Heute ist die 48. London Book Fair (LBF) eröffnet worden. Gastland ist in diesem Jahr Indonesien. Das Börsenblatt hat mit Buchmessedirektorin Jacks Thomas über den früheren Termin und das Programm der Bücherschau sowie über das alles beherrschende Thema Brexit gesprochen.     

Sie wirken entspannt und heiter am Vorabend eines möglicherweise harten Brexit.
Das bin ich wirklich. Wir müssen jetzt solidarisch sein und die Kommunikation über Landesgrenzen und Kontinente hinweg noch verstärken. Ich bin sicher, dass die Verlagswelt die bevorstehenden Probleme lösen wird, wie immer sie dann auch genau aussehen werden.

Die Zahl unabhängiger Buchhandlungen in Großbritannien hat im zweiten Jahr in Folge zugenommen. Die Internationalisierung schreitet voran: Es werden immer mehr Bücher ins Englische übersetzt. Gleichzeitig ist Großbritannien der größte Exporteur von Büchern weltweit mit einem Anteil von 17 Prozent. Auch der Audio-Boom hält an. Wo gibt es Probleme, bei deren Lösung die LBF behilflich sein kann?
Es wäre anmaßend zu glauben, dass die LBF Probleme der Buchbranche lösen kann. Aber natürlich gibt es auch schlechte Nachrichten: Die Zahl der Bibliotheksnutzer hat bei uns dramatisch abgenommen. Und wir übersetzen immer noch sehr viel weniger ins Englische als deutschsprachige Länder aus dem britischen Englisch ins Deutsche übersetzen. Entsprechend bauen wir auf der LBF das Translation-Center stetig aus. Dasselbe gilt für das Agentenzentrum. Die LBF als grenzüberschreitende Kommunikationsplattform ist mir besonders wichtig. Spanische Verleger haben mit gerade gesagt, dass sie nach London kommen, um zu erfahren, was in den nächsten fünf Jahren in der Buchwelt passieren wird: "Long may London will be a creative capital!"

Eine Haupstadt, die offen ist für Europa.
Wir verstärken den grenzübergreifenden Dialog, wo wir nur können. Deshalb heißen wir dieses Europa besonders willkommen und haben gezielt auch europäische Autoren eingeladen. Wir freuen uns zum Beispiel sehr auf Simone Buchholz. Kriminalliteratur spielt im britischen Buchmarkt eine wichtige Rolle und von Buchholz liegen aktuell Übersetzungen vor.

In Rom sagten die Imperatoren: "Divide et impera", "teile und herrsche". Nun geht das Vor-Messe-Gerücht, US-Verlage würden sich heimlich schon über wachsende Umsätze in Kontinentaleuropa in der Post-Brexit-Ära freuen.
Haben Sie das möglicherweise von jemandem aus den USA gehört? Ja, das dachte ich mir. Britische Verleger werden auch in Zukunft erfolgreich agieren.

Einige wenige Vertreter des britischen Buchmarkts sehen sogar einem harten Brexit entspannt entgegen. Deren Stimmen werden in Kontinentaleuropa allerdings gerne verschwiegen. So könnte nach einem No-Deal-Brexit der Papierpreis in Großbritannien sinken. Zudem sehen linksgerichtete Globalisierungskritiker aus den 1980er und 1990er Jahren mit dem Brexit den Beginn einer gerechteren Auslandspolitik auch die Buchbranche betreffend.
Ja, die Stimmen gibt es und sie werden selten in den Medien wiedergegeben. Aber der weitaus größte Anteil der Verleger ist in großen Städten angesiedelt, wo Mehrheiten für den Verbleib in der EU gestimmt haben. Entsprechend sind auch die Meinungsäußerungen in der britischen Fachpresse. Was auch immer geschehen wird: Wir müssen aufhören, an das Zerstörerische zu glauben. Das Leben wird danach weitergehen. Der Kontext der Diskussionen wird ja zurzeit von einer großen Unsicherheit bestimmt. Aber der Kontext von vor zehn Jahren, als man von der Gefahr der "digitalen Revolution" sprach, statt von "digitaler Evolution", wurde auch von Unsicherheiten geprägt. Das Ende des Buchmarkts wurde vorhergesagt. Ich arbeite seit langer Zeit im Buchgeschäft. Was ich von Verlegern weiß? Sie sind clever, flexibel und arbeiten extrem lösungsorientiert. Das hängt mit ihrer enormen Leidenschaft fürs Büchermachen zusammen: Das Publizieren über Grenzen hinweg. Wir werden eine isolationistische Verlagsbranche in Großbritannien nicht zulassen. Ich habe volles Vertrauen in eine Verlagswelt, die ihre Türen offen hält.

Durch die Vorverlegung findet die London Book Fair in diesem Jahr vor Paris, Leipzig und Bologna statt. Auch nächstes Jahr wird die Fiera del libro per ragazzi wieder rund einen Monat nach der LBF stattfinden. Werden künftig verstärkt Kinder- und Jugendbuchlizenzen in London gehandelt?
Die Frage des Timings der LBF wird wohl dereinst in meinen Grabstein gemeißelt. Dieses Jahr gibt es einige Verleger, die sagen, es sei furchtbar, dass die LBF vor Bologna stattfindet. Aber dann gibt es viele Verleger von weit weg, aus Australien beispielsweise, die sehr dankbar sind, weil sie hier in London alles auf einmal erledigen können. Und mich freut es, denn ich kann entspannt nach getaner Arbeit nach Bologna fahren. Das möchte ich nicht missen. Unsere Zeitplanung hängt halt von verschiedenen Feiertagen ab. Ich stehe nicht morgens auf und sage mir, jetzt bestrafe ich mit meinem Timing diese oder jene Verlage. Ich muss ja so Vieles berücksichtigen bis hin zur Verfügbarkeit dieser wunderbaren Messehallen im Olympia.

In denen der Anteil der Kinderbuchverlage zunimmt.
Das stimmt. Dieses Jahr verzeichnen wir eine starke Zunahme von Kinderbuchverlagen. Aber das hängt auch damit zusammen, dass der Kinder- und Jugendbuchmarkt in Großbritannien wächst.

Was ist Ihr persönliches Highlight auf der LBF 2019?
Das ist schwierig, es gibt so viele. Ich glaube, wir hatten noch nie eine so eindrucksvolle Gesamtdarbietung eines Gastlandes: Indonesien präsentiert hier auf der Messe und in der ganzen Stadt nicht nur seine reichhaltige Buchproduktion, sondern auch landestypische Kunst, Mode, Musik oder Gastronomie. Das ist ein großartiges Erlebnis, das alle Sinne mit einbezieht mit dem Ziel, vor allem die Literatur des Landes bekannter zu machen.