Zur Situation von Verlegerinnen

Patriarchendämmerung?

21. März 2019
von Börsenblatt
Auf der Leipziger Buchmesse widmete sich das Büchermacher-Podium der Frage, in wie weit eine neue Generation von Verlegerinnen den Typus des charismatischen, alles selbst bestimmenden Verlagschefs ablöst.

Frauen spielen in der Buchbranche eine wichtige Rolle, sie lesen mehr, sie kaufen mehr als Männer – aber in den Spitzenpositionen der Verlage sind sie eher selten vertreten, konstatierte Mara Delius, die Leiterin der „Literarischen Welt“, zum Auftakt einer spannenden Podiumsdiskussion. „Patriarchendämmerung – oder wie sich das Bild des Verlegers wandelt“, so der Titel der Runde, die seismographisch das Männer- und Frauenverhältnis der Branche auslotete. Verlegerin Felicitas v. Lovenberg, seit vier Jahren bei Piper an der Spitze, staunte, dass sie „die Älteste in dieser Verlegerinnenrunde“ sei; als sie in der Bonnier-Gruppe begann, stieß sie mit Siv Bublitz (Ullstein) und Renate Herre ( Carlsen) sofort auf Kolleginnen, „deswegen habe ich das damals sicher gar nicht so empfunden".

Aufbau-Verlagsleiterin Constanze Neumann erinnert noch an DuMont-Buchverlagschefin Sabine Kramer und konstatierte: „Seit einigen Jahren hat sich deutlich etwas verändert, aber ich merke, dass es etwas Anderes ist, wenn eine Frau an der Spitze steht: Man spürt immer noch ein Erstaunen, dass da eine Frau sitzt.“ In manchen Köpfen sei „der Typus des Verlegers alter Schule immer noch sehr virulent, der mit seinem Charisma seinen Verlag und seine Autoren repräsentiert“, pflichtete Kiepenheuer und Witsch-Verlegerin Kerstin Gleba bei. „Die Verleger selbst haben sich sehr geändert, die kulturellen Stereotypen in der Gesellschaft existieren aber weiter.“ Random House-CEO Thomas Rathenow erinnerte die rund 80 Zuhörer daran, dass in seiner Verlagsgruppe zwei Frauen (Nicola Bartels und Grusche Juncker) rund 100 Millionen Euro verantworten, „das zeigt, denke ich, ihre Bedeutung“. Die meisten seien jedoch Angestellte und nicht Eigentümer: „Das ist auch noch einmal etwas anderes – gerade in Zeiten eines großen medialen Wandels

Der Blickwinkel muss sich verändern

Kunstmann-Juniorverleger Moritz Kirschner bekannte, der Sohn einer feministischen Verlegerin zu sein, „und ich dämmere gewiss nicht vor mich hin, bis ich mein Patriarchendasein erfüllen kann. Ich begrüße es sehr, dass auch in den Konzernverlagen mehr Frauen in Führungspositionen gibt.“ Kerstin Gleba mahnte, dass der aktuelle Umbruch fortgesetzt werden müsse. „Der Blickwinkel muss sich verändern, und nicht nur in unserer Branche. Wie viele Chefredakteurinnen gibt es eigentlich in Zeitungen und Magazinen?“ Stimmen von Autorinnen wie Margarete Stokowski, Sophie Passmann und Nina George trügen zu einer lebendigen Debatte bei: Ihre Bücher seien Spiegel ihrer Zeit, aber sie gäben viele Impulse.

Verlagsmitarbeiter als Spiegel der Gesellschaft

Mit Blick auf Ostdeutschland stellt sich die Situation noch einmal anders dar: „Man kann die Menschen aus Ostdeutschland, die in Verlagen in Führungspositionen sitzen, an zwei Händen abzählen, und bei Frauen wird es noch einmal weniger“, fasste Constanze Neumann zusammen. Moritz Kirschner weitete die Perspektive: „Es gibt ja auch so gut wie keine Verleger mit einem Migrationshintergrund, und ich finde, dass die deutsche Verlagsszene da deutlichen Nachholbedarf hat.“ Dem stimmte Thomas Rathenow zu: „Wir müssen uns generell fragen: Wie agieren wir als Unternehmen, als Arbeitgeber?“ Letztlich könne das nur heißen, auch Angestellte zu haben mit anderen Berufsabschlüssen, „dann müssen wir unsere Ausschreibungen ändern und keinen Universitätsabschluss fordern, wie das bislang der Fall ist. Wir sind sehr weit davon weg, dass die Verlagsmitarbeiter einen Spiegel unserer Gesellschaft repräsentieren - da muss man andere Impulse setzen.“

Der Abschluss der Podiumsdiskussion galt einem Gedankenspiel: Welche Art von Verlegern wird in 20 Jahren auf dem Podium sitzen? Die Antworten:

Constanze Neumann: „Um ein Bild Anna Seghers zu benutzen: einen Typus, der einem Verlag als wohl organisiertem Bienenstock vorsteht.“ …“

Kerstin Gleba: „Ich sehe da eine Überzeugungstäterin sitzen, die ganz auf der Höhe der Zeit ist, mit einem Buch, worin zu lesen ist, dass wir es doch noch geschafft haben, dem Klimawandel zu begegnen.“

Felicitas v. Lovenberg: „Auch wenn die Probleme dann andere sein mögen: Menschen mit Büchern werden immer Überzeugungstäter sein, davon bin ich fest überzeugt.“

Thomas Rathenow: „Das physische Buch wird immer noch eine wichtige Rolle spielen, aber der Verlag wird ein Inhaltehaus sein mit ganz unterschiedlichen Geschäftsmodellen.“

Moritz Kirschner: „Mhmm ... Ich glaube fast, dann möchte ich lieber ein steinreicher Patriarch sein mit wunderschönen Büchern, der von seinen Kindern vom Thron gestürzt wird