"Wiener Wälzer" - die "FAZ" schreibt über die neue Buchmesse in Wien:
Zwar gibt es einen Binnenmarkt, der sich auf Austriaka und lokale Berühmtheiten (vielfach aus dem Gourmetsektor) stützt, aber ohne den großen deutschen Buchmarkt ist in der Belletristik kein Blumentopf zu gewinnen. Was nicht ausschließt, auch daheim auf die Werbetrommel zu hauen. Das versucht nun eine Internationale Buchmesse, die erstmals im November 2008 im Prater stattfinden wird. Veranstaltet von der Reed Messe Wien und dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels, sollen zweihundert Aussteller geschätzte 45 000 Besucher anlocken, wie das Wirtschaftsmagazin "trend" am Montag meldete. Die Wiener planen ein Festival mit vielen Autoren, vier Wochen vor Weihnachten soll das für die Branche überlebenswichtige Weihnachtsgeschäft angekurbelt werden. Die Messe Frankfurt wird bei den derzeit laufenden Verhandlungen um die Vertragsverlängerung der weltgrößten Buchmesse durch diese Neuigkeit nicht aus der Bahn geworfen werden - ausgebucht mit 7275 Ausstellern, wie sie ist. Aber der Wiener Neubeginn verweist doch auf eine Entwicklung, die mit den sich rasant wandelnden Märkten einhergeht: Nichts muss bleiben, wie es ist. Dass der frühere Buchmessendirektor Neumann die Buchmesse nach München verlegen wollte, war nicht nur eine leere Drohung, sie hatte auch die Realität des Messegeschäfts im Auge. Andere Mütter haben auch schöne Ausstellungshallen. Wenn der globale Westwind das Business immer weiter nach Osten treibt, wird man die Frankfurter Buchmesse eben in Peking begehen? Oder man bleibt gleich daheim im Internet? Schon probt Reed, weltgrößter Messeausrichter, neue Spielarten. Reine Einkaufsmessen ohne Publikumsbeteiligung, Zutritt nur auf Einladung.
"25 Jahre Literaturhandlung: Mahnmal für die ermordeten Münchner" - Rachel Salamander im Interview mit der Online-Ausgabe des "Münchner Merkur":
Ein Vierteljahrhundert Literaturhandlung: Ist sie so etwas wie das Mahnmal für die ermordeten jüdischen Münchner, das nie errichtet wurde?
In gewisser Hinsicht mit Sicherheit. Zumal ich versucht habe, mit der Literaturhandlung zu rekonstruieren, was das jüdische Leben vor der Vernichtung gewesen ist. Was wir als zweite Generation nach der Shoah vorgefunden haben, war die absolute Leere.
Es existierten weder jüdische Einrichtungen, noch lebten die früheren jüdischen Münchner. Kurz, alle sichtbaren Zeichen der jüdischen Existenz waren verschwunden. Die Literaturhandlung hatte von Anfang an die Aufgabe, die Verbrannten, Ermordeten, Verjagten in Form ihrer Schriften, ihrer Worte wiedereinzubürgern. Wir spürten alles an Literatur auf, was sich zum europäischen Judentum finden ließ. Natürlich habe ich sämtliche greifbare Veröffentlichungen über das einstige jüdische München angeboten. In dieser Stadt habe ich dem Jüdischen eine Art Präsenz erst verschafft.
"Rekonstruktion" heißt aber nicht "Denkmalschutz".
Im Gegenteil. Rekonstruktion deswegen, weil ich, als ich anfing, zuerst über ein Jahr recherchieren musste, um zu sehen, was überhaupt in Schriftform zum Judentum existierte. Und das sollte zum Leben erweckt werden. Deshalb gehörte es von Beginn an zur Konzeption der Literaturhandlung, Veranstaltungen auszurichten. Der Name Literaturhandlung ist programmatisch, besagt eben, dass sich um die Literatur Handlung entwickeln soll. Menschen sollten miteinander sprechen, angesichts des Geschehenen miteinander um die Geschichte ringen, damit das Vergangene nicht unbearbeitet stehen bleibt, damit ein gemeinsames Weitergehen möglich wird.
Erinnern Sie sich noch an Ihre Gefühle bei der Gründung vor 25 Jahren?
Das Thema Judentum kam damals im öffentlichen Bewusstsein so gut wie gar nicht vor. Heute weiß ich, dass ich mit dem Thema eine Art Trendsetterin für den Buchmarkt und bei den Veranstaltungen gewesen bin. Ich fühlte mich 1982 mit meiner Idee der Gründung einer Fachbuchhandlung für Literatur zum Judentum gut aufgefangen, denn die elf Gesellschafter, die mich heute noch begleiten, sind ideell und finanziell mit dem Projekt mitgegangen.
Die Atmosphäre seinerzeit war äußerst dicht und konzentriert. Für alle Beteiligten, die Kunden und das Publikum, aber auch für mich stellte sich die Arbeit als etwas ganz Besonderes dar, jede Lesung war eine Kostbarkeit. Da kamen Emigranten nach Jahrzehnten erstmals wieder nach Deutschland, und junge jüdische Autoren meldeten sich wieder in deutscher Sprache zu Wort. Vor 25 Jahren gab es kaum ein offenes Forum, bei dem Juden und Nichtjuden über die Vergangenheit ins Gespräch kamen.
Wir sind hier im Jüdischen Museum, wo Sie auch einen Buchladen führen - wie in anderen jüdischen Museen. Was kann das visuelle Element einer Ausstellung leisten, was Bücher nicht können und umgekehrt?
Unsere Erfahrung aus Wien, wo wir 1993 im Jüdischen Museum die Literaturhandlung aufgebaut haben, hat uns gezeigt, dass Ausstellungsbesucher unbedingt eine Nachbereitung des Gesehenen brauchen. Das bestätigt sich bis heute. Durch die Ausstellungen bleibt vieles offen. Da kommt einer Fachbuchhandlung eine wichtige Funktion zu. Sie kann Fragen beantworten und mit weiterführender Literatur beraten. Umgekehrt kann die Literatur unsere visuelle Begierde nicht sättigen. Beides sind Realitätsausschnitte, die sich ergänzen.