Meinung

Der Fall ist sonnenklar

4. Oktober 2007
Redaktion Börsenblatt
Deutscher Buchpreis: Ende des Rätselratens. Rainer Moritz, Chef des Literaturhauses Hamburg, weiß jetzt schon, wer gewinnt.
Wie langweilig ist es doch, die Entscheidungen beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettlesen zu verfolgen! Wie fade, aus den Zeitungen zu entnehmen, wer den Hermann-Hesse-, Wilhelm-Raabe- oder Joseph-Breitbach-Preis entgegennehmen darf! Nein, meine ganze Konzentration gilt dem Deutschen Buchpreis, dessen ökonomische und publizistische Durchschlagskraft aus harmlosen Autoren einander misstrauisch beäugende Raubtiere und aus seriösen Literaturkritikern nervöse Kaffeesatzleser macht. Für mich ist der Fall sonnenklar, und ich nehme gern Wetten (bevorzugter Einsatz: Rotwein aus dem Madiran) entgegen. Natürlich wird Katja Lange-Müller den Buchpreis in diesem Jahr davontragen, weil ihre »Bösen Schafe« voll im Trend der Gegenwartsliteratur (siehe Leonie Swanns Krimi »Glenkill«) liegen und das lange Zeit sträflich unterschätzte Schaf zu neuen Ehren kommen lassen. Daran wird die Jury nicht vorbeigehen können ... es sei denn, sie setzt auf die Sogkraft von Familienromanen, weshalb sie, da bin ich mir wiederum sicher, Julia Francks »Die Mittagsfrau« auserwählen wird, zumal der Titel auf eine sorbische Sage anspielt und sich damit der Osten gebührend berücksichtigen ließe. Vielleicht aber, nein, wahrscheinlich geht die Siegerpalme an Martin Mosebach, womit die Jury um Mosebach-Lobredner Ijoma Mangold ihre Originalität bewiese, denn niemand rechnet damit, dass Mosebach als Büchner-Preisträger 2007 zugleich die Buchpreisprämie einsacken darf. Das jedoch ist das entscheidende Argument für den Frankfurter – wenn die Jury nicht endlich mal Mut zeigen und mit Thomas von Stein­aecker einen Debütanten küren möchte. Dessen »Wallner beginnt zu fliegen« umfasst ja gleich drei Themen – Unternehmertum, Boygroupkarriere, akademisches Lesbiertum – was den Ausschlag für diesen jungen Autor geben dürfte. Andererseits: Wäre es nicht an der Zeit, all jenen Nörglern, die Hanser-Autoren beim Buchpreis über Gebühr berücksichtigt sehen, eins auszuwischen und jetzt erst recht einen Kandidaten aus dem Michael-Krüger-Stall auf den Thron zu setzen? Michael Köhlmeier zum Beispiel, der das dickste beziehungsweise teuerste (24,90 Euro!) Buch geschrieben hat und deshalb den Buchhandelsumsatz besonders befördern würde. Ach, nein, Kommando zurück, wenn schon Hanser, dann natürlich Thomas Glavinic mit »Das bin doch ich«. Gewönne dieser Österreicher, bewiese die Jury ihren feinen Sinn für Ironie und würde einen Roman küren, der in weiten Teilen vom Frust eines Autors handelt, der den Deutschen Buchpreis nicht bekommt. Und Michael Krüger kommt in diesem Buch auch vor, als Romanfigur namens Michael Krüger. Das wären zwei Fliegen mit einer Klappe. Sie sehen, der Buchpreis 2007 ist eine glasklare Angelegenheit. Ich nehme, wie gesagt, Wetten entgegen.