Presseschau

Frankfurter Buchmesse, Günter Grass, Siegrid Löffler

2. Oktober 2007
Redaktion Börsenblatt
"Die Dynamik der Buchmesse könnte in diesem Jahr auch den deutschen Buchmarkt beflügeln, der nach langer Stagnation sich konjunkturell belebt", schreibt die Nachrichtenagentur dpa in ihrem Vorbericht, den die Netzeitung heute veröffentlicht. Ebenfalls Thema: Günter Grass und die Literaturkritikerin Siegrid Löffler.
"In Frankfurt dreht sich's ums Buch - und vieles mehr" - die "Netzeitung" schreibt in einem Vorbericht zur Frankfurter Buchmesse: Die 380.000 ausgestellten Produkte sind nach Angaben der Messe längst nicht mehr nur Bücher. Allein 30 Prozent sind digitale Produkte. Zugleich will Boos die Messe wieder verstärkt auch zu einem gesellschaftspolitischen Forum machen - etwa durch die im vergangenen Jahr gestartete Initiative gegen den Analphabetismus. Im Blickpunkt des Publikums - es werden insgesamt rund 300.000 Besucher erwartet - stehen aber auch dieses Jahr wieder die Autoren: Die Palette der deutschen Schriftsteller reicht von Martin Walser bis zu Günter Grass, von Andrea M. Schenkel bis Feridun Zaimoglu. Dazu kommt erneut viel schreibende Prominenz aus Politik, Film oder Medien wie Klaus Wowereit, Joschka Fischer oder Ben Becker und Robert Atzorn. ... Die Dynamik der Buchmesse könnte in diesem Jahr auch den deutschen Buchmarkt beflügeln, der nach langer Stagnation sich konjunkturell belebt. Der Handel meldete für das erste Halbjahr ein Plus von über vier Prozent. Und der am 27. Oktober auf Deutsch erscheinende letzte Harry-Potter-Band macht zugleich Hoffnung auf ein glänzendes Weihnachtsgeschäft. Zusätzlichen Auftrieb gibt der Deutsche Buchpreis, mit dem zum dritten Mal zum Messeauftakt eine namhafte Jury den besten deutschen Roman des laufenden Jahres auszeichnet. "Zopfgeburten: Günter Grass als Medienfigur" - Wolfgang Schneider war für die FAZ bei einer Grass-Tagung in Bremen: Offenbar hat die Debatte über Grass' jugendliche Mitgliedschaft in der Waffen-SS seiner „Zwiebel“-Autobiographie zumindest kurzfristig Leser weggenommen. Der Steidl-Verlag sei auf der zweiten Auflage bisher sitzengeblieben, berichtete der Lektor Dieter Stolz. Gut möglich, dass der Überdruss, in den das Interesse nach Wochen der Daueraufmerksamkeit naturgemäß umschlägt, dafür verantwortlich ist. Gerade die Bremer Tagung zeigte jedoch in vielen erhellenden Beiträgen über Grass' internationale Wirkung, dass ihm die Debatte im globalen Kontext keineswegs überall geschadet hat. Sie hat seinen weltweiten Bekanntheitsgrad bewiesen und womöglich noch gesteigert. Das gilt etwa für China. Dort hat man Grass erst jüngst als moralische Instanz entdeckt, wie die Sinologin Irmgard Schweiger ausführte. Zuvor wurde er eher formalästhetisch rezipiert, im Kontext der verspätet angekommenen westlichen Moderne, die in China seit den achtziger Jahren eine neue Autonomie der Literatur legitimieren half - gegen den sowjetrussischen Realismusbegriff. 1990 erschien in China die erste Auflage der „Blechtrommel“. Sie wurde als Pendant zu „Hundert Jahre Einsamkeit“ gelesen und war sofort vergriffen. Die Erregungswogen der SS-Debatte schwappten dann auch durch die chinesische Intellektuellenszene. Dabei wurde entschieden für Grass Partei ergriffen. Man ist begeistert von dem Mann, der „die Wahrheit sagt“; eine neue Offenheit in der Aufarbeitung gesellschaftlicher oder privater Dunkelzonen verbindet sich in China nun emblematisch mit seinem Namen. "Preis für Gesinnung?" - Wieland Freund schreibt in der WELT über Siedgrid Löfflers Kritik an Martin Mosebach: Jetzt behauptet die Kritikerin Sigrid Löffler in der Zeitschrift "Literaturen", Mosebach sei der Büchnerpreis für seine Gesinnung verliehen worden, nicht für sein Werk. Der Zeitgeist surfe "auf der konservativen Welle", weshalb Begriffe wie reaktionär zu Ehrentiteln geworden und zurzeit nicht "ins ursprünglich Diffamierende zurückzudrehen" seien. Nun heißt diffamieren so viel wie verunglimpfen - und es ist schon erstaunlich zu lesen, dass eine Kritikerin das Weltbild eines Autors offenbar nicht zu analysieren, sondern zu diffamieren wünscht. Wer die Romane Mosebachs analysiert, merkt schnell, dass sie keine Propagandatraktate sind. Vielmehr verzichtet Mosebach als Erzähler weitgehend auf explizite Zeitkritik und versucht seine Figuren aus ihrer jeweiligen Lebenssituation zu verstehen und darzustellen. Er ist so zu einem der wenigen Gesellschaftsromanciers hierzulande geworden. Auch als Essayist tritt er nicht als engagierter Literat nach dem Muster Sartres auf. Denn, wie gesagt, in seinen Augen ist die Geschichte durch die Eingriffe der Menschen, seien es nun linke oder rechte Revolutionen, nie besser, sondern immer nur schlechter geworden. Man muss solche Ideen nicht teilen, ebenso wenig wie die bizarren politischen Ansichten Handkes, sondern kann das alles ziemlich exotisch finden - und dennoch die literarischen Qualitäten dieser Autoren würdigen. 2006 hat sich Sigrid Löffler dafür eingesetzt, den Heine-Preis für Völkerverständigung an den Milosevic-Verehrer Handke zu vergeben und vehement für die Freiheit geistiger Abenteurer gestritten.