Interview

»Kontinuierliches Wachstum«

5. Oktober 2007
Redaktion Börsenblatt
Das Geschäft mit E-Books ist immer noch ein Schwellenmarkt. Doch gerade in diesem Herbst mehren sich die Zeichen für eine weitere Renaissance. Auf Plattformen von Verlagen und E-Book-Händlern werden inzwischen mehrere 100.000 verschiedene Titel angeboten. Die neue Generation komfortabler Lesegeräte könnte für einen zusätzlichen Schub sorgen.
Boersenblatt.net sprach mit Werner-Christian Guggemos, Geschäftsführer des in München ansässigen E-Book-Anbieters Ciando, über den Status quo der Branche. Wie entwickelt sich der Verkauf von E-Books? Profitieren Sie zurzeit von dem zweiten Frühling im Internet? Guggemos: Unsere eigene Entwicklung ist die eines schrittweisen, kontinuierlichen und zugleich dynamischen Wachstums. Man hat uns zum Zeitpunkt, als der erste Internetboom zu Ende ging, gefragt, ob jetzt alles in den Keller geht. Heute fragt man uns, ob jetzt alles nach oben geht. Die tatsächliche Entwicklung ist jedoch unabhängig von diesen Aufmerksamkeitszyklen. Wir haben jedes Jahr stetiges Wachstum, egal wie groß momentan das öffentliche Interesse am Internet ist. Zurzeit bieten wir auf www.ciando.com mehr als 23.000 verschiedene Titel an. Eigentlich zu erwarten, denn Ciando kooperiert ja auch mit immer mehr Verlagen, etwa mit Springer… Guggemos: Das ganze Fundament ist breiter geworden. Wir arbeiten heute mit Buchhändlern und Bibliotheken zusammen, und wir vertreiben selbst über die Verlagsauftritte im Internet die E-Books des Hauses. Das E-Book hat sich ohne großes Aufsehen zu erregen – still, heimlich und leise – in alle Bereiche der Buchbranche hineinbegeben. Und dort wächst es. Wenn Sie zurückblicken, war es dann nicht schwer, alle davon zu überzeugen, dass das E-Book doch Zukunft hat? Guggemos: Anfangs, 2001, 2002, war es schwer, auch weil das Thema noch weitgehend unbekannt war. Jetzt ist es, würde ich fast sagen, ein Selbstläufer. Nahezu alle großen Verlagshäuser sind dabei, ihre Titel elektronisch vorzuhalten und auch ganze Vollsortimente zur Verfügung zu stellen. Sie haben ja eben den Springer-Verlag angesprochen. Das ist ein Verlag, der all seine Titel als E-Book zur Verfügung stellt, auch alle Neuerscheinungen. So verhält es sich mit allen renommierten Verlagen. Aufklärungsarbeit ist somit gar nicht mehr nötig. Das dreht sich bisweilen sogar um. Es kommt oftmals vor, dass man auf uns zu kommt und fragt, ob man diese Titel nicht auch bei uns einstellen könnte. Werfen wir nun einen Blick auf den Endkunden. Wie sieht der typische E-Book-User aus? Guggemos: Der typische E-Book-User ist jemand, der sich der traditionellen Endgeräte bedient, also PC und Laptop einsetzt. Die mobilen Plattformen werden zwar für etliche Applikationen genutzt, aber nicht notwendigerweise für das Lesen von Büchern. Dafür sind die Displays der meisten Geräte noch zu klein… Guggemos: Genau. Deshalb besteht unser Geschäft im Wesentlichen aus dem Download von Inhalten auf den PC. Der Anteil der mobilen Geräte ist deutlich geringer. Im Herbst werden erstmals mehrere Lesegeräte auf E-Ink-Basis auf den Markt kommen. Ist die Preisschwelle ab 250 Euro nicht zu hoch? Guggemos: Auf den Preis wird gern verwiesen, aber beim iPod hat sich niemand dafür interessiert, was das Gerät kostet. Der Markterfolg hängt meiner Meinung nach deshalb nicht so sehr von der Preisfrage ab, sondern davon, ob das Gerät einen Lifestyle-Appeal besitzt. Es geht darum, dass Sie, wenn Sie im Zug oder im Flugzeug sitzen, einen gewissen Image-Bonus haben, weil Sie jetzt derjenige sind, der dieses neue Gerät schon hat. Es muss »sexy« aussehen – von dieser Richtung her kommt der Markt ins Laufen. Ist Apples iPhone auch ein Schritt in diese Richtung? Guggemos: In gewisser Weise ja. Die neuen Lesegeräte für E-Books gehen aber im Bereich der verwendeten Displays noch über das iPhone hinaus. Sie müssen sich vorstellen, dass die Qualität der E-Paper-Technologie mit der einer Druckseite vergleichbar ist. Diese Displays unterscheiden sich auch dadurch, dass sie durch die Anzeige keinen Strom verbrauchen. Sie sind nicht beleuchtet. Sie verbrauchen nur im Seitenwechsel Strom. Das garantiert eine längere Laufzeit und befreit den Anwender, denn er muss den Akku des Geräts nicht ständig aufladen. Eine Entwicklung, auf die Sie als Anbieter von Inhalten gewartet haben? Guggemos: Nicht notwendigerweise. Unsere Zielgruppe besteht aus den Leuten, die auf unsere Angebote vornehmlich aus beruflichen Gründen zugreifen. Unterhaltungsliteratur ist nicht unser Schwerpunkt. Dennoch bin ich mir sicher, dass der unterhaltende Markt mit der neuen Hardware kommen wird. Wenn man erst einmal ein solches Gerät in den Händen gehalten hat, dann sieht man, wie wenig es mit früheren E-Book-Readern zu tun hat. Wird das Digital Rights Management künftig eine Rolle spielen? Guggemos: Ich denke, dass die Entwicklung von den harten DRM-Verfahren in den kommenden fünf Jahren weggehen wird. Das hängt aber im Wesentlichen davon ab, wie sich die Verlage diesem Medium nähern. Hier müssen Ängste, die zweifelsohne vorhanden sind, noch überwunden werden. Ich glaube nicht, dass die Gefahr in dem Bereich, in dem wir tätig sind, sonderlich groß ist, also dass mit den fachlichen Inhalten in relevantem Umfang Missbrauch betrieben wird. Interview: Frank Magdans Lesen Sie zum Thema auch den Artikel in Börsenblatt 40 / 2007, S. 12 (»Digitaler Lesezauber«).