"Kafka und Katalonien" - die "Welt" thematisiert das Problem der Grenzen:
"Wenige Dinge vermögen einen guten Schriftsteller mehr zu stimulieren als angefeindet, ignoriert oder in seinem Heimatland geächtet zu werden. Manchmal denke ich, dass das Exil, das Kloster, der Kerker oder die Wüste nur erfunden wurden, damit sich die Schriftsteller vor den Folgen mieser kultureller, literarischer oder linguistischer Ideen gewisser Politiker schützen können.Franz Kafka, in Prag geboren, sprach und schrieb heimlich auf Tschechisch, hatte aber die deutsche Sprache als seine literarische Sprache gewählt. War er also ein tschechischer Autor oder aber ein deutscher? In jedem Fall war er ein Mann mit einer gespaltenen Identität, wie viele andere Schriftsteller der heutigen literarischen Szene. Seine eigenbrötlerische, erstickende Welt war vollkommen tschechisch, ganz im Gegensatz zur novelesken Welt der deutschen Sprache, deren Klarheit und narrative Strenge Kafka verführte. Nicht zu vergessen: Kafka war Jude, und schon zu dieser Zeit, in Prag, war ein jüdischer Tscheche, der auf Deutsch schrieb, doppelt isoliert, er war ein Jude unter den Deutschen und ein Deutscher unter den Tschechen.Er fühle sich stets, als lebe er "in einem sozialen und sprachlichen Ghetto mit unsichtbaren Mauern", schrieb Kafka. .. Stellen wir uns nun vor, Kafka wäre in Katalonien geboren worden, er liest die Zeitungen aus Barcelona und umgibt sich mit Menschen, die wie er zweisprachig sind. Er schreibt in einem Barcelonesischen Katalanisch, genial und unnachahmlich. Er spricht Katalanisch (Tschechisch) und ihn interessiert die katalanische Sprache und Kultur sehr. Aber über der Tür zu seinem Klassenraum in der Grundschule hängt ein Schild: für ein tschechisches Kind eine tschechische Schule. Genauso ärgert ihn die Manieriertheit der Deutschen in Prag, weil sie ein "aufgeblähtes, rhetorisches und verschlossenes Deutsch sprachen", wie Wagenbach bemerkt. Währenddessen verfallen die Prager Autoren, wie ein Kritiker urteilt, "besorgt darum, die Sprache zu retten, einer literarisch Frenesi, doch was sie damit eigentlich tun, ist, ihre kleine Welt schön zu malen".Sicher ist, dass sich Kafka auch deswegen nicht in Prag wohlfühlte. Er liebte Prag wie er es hasste, wovon seine Bücher wundervolle Porträts sind.Nun stellen Sie sich vor, was es für ein großes Dilemma für die Geschichte bedeuten würde und für das literarische Werk dieses aus dem Katalog entfernten Schriftstellers, wenn man seine Teilnahme oder Nicht-Teilnahme an der Buchmesse in Frankfurt diskutieren würde, bei der Katalonien das gefeierte Gastland ist."
"Zwischen zwei Deckeln" - Gerrit Bartels schreibt in der "taz" über die Konzentration im Buchhandel:
"2006 ist der Umsatz der Branche leicht gestiegen, und die bevorstehende Veröffentlichung der deutschen Ausgabe des letzten Harry-Potter-Bandes verspricht für 2007 ein weiteres Umsatzplus. .. Also alles in bester Ordnung? Viele Buchhändler und Verlage sehen das keineswegs so. Nur wenige Bücher sorgen für die ganz großen Umsätze, wie eben Harry Potter, der gleich die Jahresbilanz rettet, wie das Papstbuch oder Hape Kerkelings Wanderschaft. Schwerer noch wiegt der radikale Wandel des Buchmarktes. Die Expansion der Buchhandelsketten wird nicht nur vom alteingesessenen Buchhandel mit Sorge betrachtet, sie verschiebt auch das Kräfteverhältnis zu Lasten der Verlage. Die zwei größten Ketten, die DBG-Gruppe (Weltbild/Hugendubel) und Thalia, setzen mehr um als Random House, Hanser und Suhrkamp zusammen, rund 1, 4 Milliarden Euro im Jahr.
Jedes vierte Buch in Deutschland wird in einem Kettengeschäft gekauft. Dass das Angebot immer gleichförmiger wird, lässt sich schon jetzt beobachten. Kleinere Verlage haben es schwer, überhaupt noch ihre Bücher in diese Läden zu bekommen. Die Gefahr ist groß, dass die Ketten eines Tages den Verlagen vorschreiben, was sie tun sollen von der Art und dem Inhalt der verlegten Bücher bis hin zur Covergestaltung. Dazu kommt ein anderer Effekt: Bestseller verkaufen sich nicht nur gut, sondern auch schnell, sie verursachen keine Lagerkosten. Nur planen lassen sie sich immer noch nicht genau. Die Bücher, die sich nicht verkaufen, gehen an die Verlage zurück, werden von diesen dann aber verramscht um Lagerkosten zu sparen. Das wiederum sorgt nicht nur für eine Unterminierung der Buchpreisbindung, sondern auch für geizig-geile Discount-Stimmung bei den Käufern."
"Nur der Familienroman ist ein guter Roman." Dirk Knipphals schreibt in der "taz" über die Vergabe des Deutschen Buchpreises 2007 an Julia Franck.
"Deutscher Buchpreis ist, wenn über allerlei Romanformen diskutiert wird, und am Ende macht der Familienroman das Rennen. Ein Satz in der Begründung der Preisentscheidung durch die FAZ-Literaturkritikerin und Jury-Vorsitzende Felicitas von Lovenberg ist interessant. "Dieser Entscheidung gingen energische und intensive Diskussionen aller Titel voraus; besonders wurde darüber gestritten, was ein deutschsprachiger Gegenwartsroman jenseits von literarischen Moden und Konfektionsware zu leisten imstande ist", sagte sie. Die hochkarätig besetzte Jury hat sich also gestritten; das Schlüsselwort "energisch" weist darauf hin. Nun, das ist ihr Job. Wirklich interessant ist aber, dass der Satz zeigt, wie brüchig und heikel auch unter Fachleuten jegliches Vorverständnis darüber ist, nach welchen Kriterien nun deutschsprachige Romane zu beurteilen sind.