Außerordentlichen Hauptversammlung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels Donnerstag, den 11. Oktober 2007 um 10.00 Uhr Frankfurter Buchmesse
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
in den letzten fünfzig Jahren der langen Geschichte des Börsenvereins hat es nur einmal eine außerordentliche Hauptversammlung gegeben: Das war vor siebzehn Jahren. Anlass war die Vereinigung der beiden Verbände in Frankfurt und Leipzig.
Wenn der Vorstand Sie heute zu dieser außerordentlichen Hauptversammlung eingeladen hat, geschieht dies aus einem historisch gesehen nicht vergleichbar gravierenden Anlass, materiell und ideell ist der Anlass aber für jedes einzelne Mitglied umso dringlicher.
Der Vorstand des Börsenvereins hat am 26. September 2007 in seiner 339. Vorstandssitzung entschieden, die Gesellschaft für buchhändlerische Abrechnung auch wenn es aus betriebswirtschaftlicher Sicht keinen Sinn macht in Zukunft weiterzuführen. Der Vorstand hat diese Entscheidung treffen müssen ohne den Rat der Hauptversammlung (früher wäre es der Rat der Abgeordnetenversammlung) einholen zu können, da die drohende Insolvenz der BAG-GmbH ein Hinausschieben rechtlich unmöglich machte. Dennoch habe ich gebeten, dass wir heute zu einer außerordentlichen Sitzung zusammenkommen, wo die meisten von uns ohne allzu großen Zeitverlust und große Transaktionskosten teilnehmen können, weil Sie sich eh auf der Frankfurter Buchmesse aufhalten. Ich habe diese Sitzung einberufen in der Hoffnung, die Hauptversammlung möge den Beschluss des Vorstandes für gut heißen, und in der Absicht, über die weitere Zukunft gemeinsam zu beraten.
Der Länderrat hat in seiner Sitzung vom 27. September 2007 einen ausführlichen Meinungsaustausch gehabt mit dem Ergebnis, dass er sich dem Beschluss des Vorstandes angeschlossen hat. Die Beschlüsse des Aufsichtsrats der BBG-Holding, des Vorstandes des Börsenvereins sowie des Länderrats sind im Börsenblatt abgedruckt. Sie liegen während dieser Hauptversammlung für Sie bereit.
Zwei Wochen nach Bekanntwerden der Finanzkrise der BAG-GmbH im Dezember 2006 - verursacht durch die schlechte Führung des Factoring-Geschäftes einer Tochtergesellschaft - haben der Vorstand des Börsenvereins und der Aufsichtsrat der BBG-Holding beschlossen, das buchhändlerische Abrechnungsgeschäft für die Mitglieder zu erhalten. Es besteht unter den Mitgliedern des Börsenvereins Einigkeit darüber, und dies hat auch die Hauptversammlung des Börsenvereins im Juni dieses Jahres zum Ausdruck gebracht, dass das Abrechnungsgeschäft für große Teile der Branche lebensnotwendig ist und als Rationalisierungsinstrument erhebliche Vorteile sowohl für kleinere und mittlere, aber auch für große Unternehmen bringt.
Dies und die Gefährdung kleinerer und mittlerer Unternehmen durch den zwangsläufigen Ablauf bei einem drohenden Konkurs, auf ihr Geld über einen längeren Zeitraum - wir sprechen hier von schätzungsweise ein bis zwei Jahren - warten zu müssen, waren ausschlaggebend, dass die Börsenvereins-Gruppe mit einer Summe von insgesamt 4,4 Millionen Euro eingesprungen ist, um den drohenden Konkurs die Frist von drei Wochen lief bereits in der dritten Woche abzuwenden. Nach damaligem Informationsstand war dies die Größenordnung der Überschuldung. Wir konnten hoffen, dass mit diesem Darlehen das Problem aus der Welt geschafft ist.
Die in den folgenden zehn Monate geführten Diskussionen innerhalb der Branche haben den Börsenverein an die Grenze des Zumutbaren geführt. Dazu habe ich mich ausführlich vor der Hauptversammlung im Juni geäußert.
Herr Horbach wird Ihnen das im einzelnen darlegen. Ich halte nur fest, dass in der Diskussion die Begriffe von Verschuldung, Überschuldung und Finanzlücke nicht klar getrennt worden sind.
Eines wissen wir aber: Die Krise der BAG ist weitaus größer, als man sie uns damals und in den Folgemonaten erklären wollte. So stand der Vorstand nach Übernahme der Anteile vom 22. August an, dem Tag, an dem Verlängerungsfrist bei nicht zurückgezahltem Darlehen die Anteile zu 100% an die MVB fallen sollten vor einer erneuten konkursrelevanten Überschuldung von nahezu sieben Millionen Euro, wie das Ergebnis einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ergeben hat, die wir am Tag der Übernahme beauftragen konnten, in einer Due Diligence die finanzielle und strukturelle Situation der BAG so darzustellen, wie sie der Wirklichkeit entspricht.
Alles, was uns bis dahin über die Situation der BAG von den Verantwortlichen dargelegt worden ist - ich erinnere nur an ein Wertgutachten vom März dieses Jahres, in dem der BAG noch ein Wert von über sechs Millionen Euro zugesprochen worden ist -, war nichts als Makulatur. So wirkt auch im Nachhinein die Entscheidung der Verantwortlichen des BAG-Vereins, nicht auf die Übernahme der 25% der Anteile nach dem Kölner Modell einzugehen, wie Taktik. Augenscheinlich hat man endlich das wahre Ausmaß der BAG Krise erkannt und vor die Tür des großen Bruders schieben wollen.
Die Entscheidung, die der Vorstand in dieser Lage zu treffen hat, war mehr als schwierig. Beide Szenarien, die eines Konkurses für die BAG-GmbH und die einer Weiterführung waren gegeneinander abzuwiegen, für beide sprachen gewichtige Argumente.
Bei einer so hohen Verschuldung ist nicht verwunderlich, dass der Aufsichtsrat der BBG-Holding unter ausschließlich betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten keinen Sinn für eine Fortführung der Geschäfte sehen konnte. Allerdings war er weise genug, diese Entscheidung zurück an seine Gesellschafter zu geben, weil die betriebswirtschaftliche Sicht nicht allein ausschlaggebend gebend sein konnte und sollte.
Das Clearing im buchhändlerischen Abrechnungsverkehr ist das eigentliche Geschäft der BAG-GmbH. Ihnen lag und liegt ein Geschäftsmodell zugrunde, dass erfolgreich war, es auch ist und auch bleiben wird. Entscheidend ist nur eines: Wer immer das Clearinggeschäft der BAG weiterführen möchte, wird dies nur tun können bei Ausgleich der Verluste aus dem Factoring-Geschäft, da die BAG gesamtschuldnerisch haftet. Und wer die Geschäfte der BAG nicht weiterführen möchte, um ein gleichartiges Geschäft zu eröffnen, wird auf lange Zeit seine Kunden suchen müssen, die sich auf Grund des Vertrauensverlustes abgewendet haben.
Weshalb haben wir uns für die Fortführung der BAG und damit für die Schließung der Finanzlücke aus den Mitteln der Börsenvereins-Gruppe entschlossen?
1. Das buchhändlerische Abrechnungsgeschäft ist für einen großen Teil der Mitglieder unserer Branche notwendig.
2. Eine Weiterführung des Geschäftes nach Konkurs ist nur mit erheblichen Zahlungen an die Konkursverwaltung möglich.
3. Wenn es denn überhaupt wegen des verlorenen Vertrauens möglich sein sollte, das Clearinggeschäft neu aufzubauen, ist dies zeitlich problematisch.
4. Wie Banken bei einem Konkurs und dem damit einhergehenden Verlust des Vertrauens reagieren werden, ist abzusehen und beschränkt sich nicht auf schlechtere Konditionen.
5. Auch wenn jedem Außenstehenden deutlich ist, dass der Börsenverein mit den Ursachen des BAG-Desasters nichts zu tun hat, wird das Vertrauen in die Leistungen des Verbandes schaden nehmen.
6. Die Kunden der BAG, vor allem kleinere und mittlere Verlage, aber auch Sortimenter und Zwischenbuchhändler sind nicht immer in der Lage, die zu bewältigenden Mehrbelastungen bei einem Konkurs zu tragen. Das gilt auch, wenn die Ansprüche erhalten bleiben, aber erst nach ein bis zwei Jahren oder noch später eingelöst werden.
Der Blick auf die Wirtschaftsbetriebe des Börsenvereins gab ein weiteres gewichtiges Argument für die Entscheidung des Börsenvereins, an die Hand: Die Wirtschaftsunternehmen des Börsenvereins wirtschaften erfolgreich, und wirtschaftliche Risiken, dass dies sich in den kommenden Jahren grundsätzlich ändern sollte, sind nicht zu erkennen.
Es zeigt sich, dass es außerordentlich wichtig und richtig gewesen ist, im Börsenverein wirtschaftliche Betätigung und ideellen Bereich zu trennen. Wir haben mit der Gründung der BBG-Holding für unsere Wirtschaftstöchter und der Einrichtung eines fakultativen Aufsichtsrates, der mehrheitlich mit externen Mitgliedern besetzt ist, eine Struktur geschaffen, die schon am Ergebnis ablesbar außerordentlich erfolgreich ist und hohen Nutzen für unsere Mitglieder bringt.
Gleichzeitig ist durch eine kluge personelle Verflechtung auf hauptamtlicher Ebene ist es der Hauptgeschäftsführer, der gleichzeitig der Sprecher der Geschäftsführung der BBG-Holding ist, auf ehrenamtlicher Ebene sind es der Vorsteher, der Schatzmeister und ein Ländervertreter, die im Aufsichtsrat der BBG-Holding sitzen ein fruchtbares Spannungsverhältnis zwischen ideellen Belangen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten gegeben.
Diesen Weg werden wir konsequent auch mit der Integration des BAG-Geschäftes in den Tätigkeitsbereich der BBG-Holding fortsetzen.
Der Blick auf die Mitglieder des Börsenvereins gab dem Vorstand bei seiner Entscheidung aber das entscheidende Argument in die Hand:
Wir glauben, dass wir mit unserer Entscheidung, die BAG fortzuführen, dem Mehrheitswillen unserer Mitglieder entsprechen. Die meisten Mitglieder fühlen sich als Mitglieder einer Gemeinschaft, der es darauf ankommt, ihrem Geschäft nachzugehen und die sich von ihrem Verband bestmöglichen Service erwarten. Da gibt es wenig Unterschied zwischen einem BAG-Mitglied und einem Börsenvereins-Mitglied, sowie es keinen Unterschied zwischen dem Börsenverein oder dem BAG-Verein zu seinen Mitgliedern gibt. Die Mitglieder sind der Verein, und alle haben die Gelegenheit, die weiteren Geschicke mit zu gestalten.
Eines sollte klar und deutlich gesagt sein: Die Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen innerhalb der BAG sind umfänglich zu klären. Der Aufsichtsrat der BBG-Holding hat dazu die Prüfungsaufträge bereits vergeben.
Und weiterhin: Eine Unterscheidung zwischen Wir und Ihr da, wie es sie in den letzten Monaten in der Diskussion um die BAG auf groteske Weise gab, werden wir nicht weiter zulassen. Die Anfeindungen und Unterstellungen haben zu nichts geführt, als die Stimmung zu vergiften und haben erheblich dazu beigetragen, die dringende Lösung des BAG-Problems nicht nur zu verschleppen, sondern, wie es den Anschein hat, das Problem noch zu vergrößern. Hierzu habe ich bei der Hauptversammlung in Berlin eindeutig Stellung bezogen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Ohnmacht der vergangenen zehn Monate gegenüber der BAG hat uns zumindest nicht untätig sein lassen. Wir haben geplant:
Ich freue mich sehr, dass Herr Dr. Manfred Antoni seit dem 1. Oktober für den Zeitraum von sechs Monaten die BAG-GmbH führen wird, sie restrukturieren wird und für die Zukunft aufstellen wird. Ich habe Herrn Dr. Antoni gebeten, am Schluss der Veranstaltung seine Vorstellungen, wie die BAG entwickelt werden muss, darzulegen.
Aber zunächst bitte ich Herrn Horbach, Ihnen als Schatzmeister alle Daten und Fakten für eine wirklichkeitsnahe Beurteilung der Vorgänge zu geben, damit wir im Anschluss in die Diskussion eintreten können.
Eines ist wichtig: Wir verfügen jetzt endlich und erstmals über valide Zahlen, jetzt haben wir einen Blick auf die Wirklichkeit und können offen und auch ehrlich darüber diskutieren.