Die Sonntagsfrage

"Wie will &Töchter das Lesen wieder cool machen, Frau Nerbel?"

19. Juli 2019
von Börsenblatt
Sieben Buchwissenschaftsstudentinnen haben im Januar in München den Verlag &Töchter gegründet. Auch weil sie nicht verstehen, dass zwar alle über den Leserschwund reden, aber keiner mal etwas wirklich Neues ausprobiert. Welche Ideen &Töchter so hat, erzählt Mitgründerin Laura Nerbel in der Sonntagsfrage.  

"Plötzlich so: Hey, lasst uns doch einen Verlag gründen. Wir können das auch!"

&Töchter besteht aus sieben Frauen, wir sind zwischen 23 und 28 Jahre alt. Kennengelernt haben wir uns im Rahmen des Masterstudiengangs Verlagspraxis an der LMU München. Ganz zufällig saßen wir in einem Blockseminar nebeneinander, sind ins Gespräch gekommen und haben wenige Tage später auf einer Halloweenparty zusammen gefeiert. Die Freundschaft entwickelte sich dann rasant und schon im Januar saßen wir bei einem Wein zusammen, ärgerten uns über ein Buchcover und ein staubtrockenes Seminar. Plötzlich so: "Hey, lasst uns doch einen Verlag gründen. Wir können das auch!" Dass wir alle so unterschiedlich sind, ganz verschiedene Backgrounds haben und trotzdem in allen Fragen immer wieder zusammenfinden, ist erstaunlich und sehr bereichernd. Jede von uns hat schon mal im Rahmen eines Praktikums oder einer Werkstudentenstelle in einem Verlag gearbeitet oder arbeitet aktuell dort. Interessanterweise tendieren wir alle zu unterschiedlichen Arbeitsbereichen innerhalb eines Verlages, sodass wir gemeinsam ein sehr vielfältiges Team bilden und uns gegenseitig ergänzen.

Unser Verlagsname &Töchter entwickelte sich bei einem Brainstorming. Jeder kennt diese Namen à la "Schubert und Söhne", der Zusatz und Töchter ist jedoch kaum zu finden. Und da wir nun mal sieben Frauen sind und der Name eine Menge Kombinationsmöglichkeiten eröffnet, zum Beispiel für unsere Veranstaltungen (rauschen&Töchter) und unsere Podcasts (plauschen&Töchter), fiel uns die Entscheidung leicht.

"Die Branche muss den Ballast der Tradition abschütteln"

Wir verstehen uns nicht nur als Verlag, der Bücher publiziert, sondern als eine Gruppe junger Leute, die Literaturfreunde zusammenbringen will, diese mit solchen mischt, die gerne wieder mehr Zeit mit Literatur verbringen wollen und schließlich mit denen würzt, die vielleicht gar nichts mit Büchern oder Literatur am Hut haben. Unsere Projekte, egal ob Veranstaltung, Podcast oder Buch, sollen genau diese Vielfalt abbilden, die es da draußen gibt. Die Branche muss den Ballast der Tradition abschütteln, von ihrem hohen Ross steigen und vor allem flexibel und offen sein. Wir hoffen, mit &Töchter einen Schritt in diese Richtung zu machen.

Das Buchprogramm wollen wir mit einem Projekt starten, das uns allen sehr am Herzen liegt. Da wir noch ganz am Anfang stehen und uns beinahe ohne Startkapital hineinstürzen, möchten wir uns vorerst diesem ersten Projekt widmen. Wir möchten verlegen, was uns selbst begeistert und interessiert. Bücher, die zeigen, wie vielfältig das Medium sein und welche Sogkraft das Lesen entfalten kann. Wir stehen bereits in Kontakt mit Autor*innen und anderen Urheber*innen und sind offen für jegliche Überlegungen. Uns reizt das Ungewöhnliche und Überraschende.

Mit Hochdruck sitzen wir an den ersten Podcastfolgen unserer Reihe plauschen&töchter! Auf all unsern Kanälen werden wir den Launch bekanntgeben, wenn es soweit ist. Wir möchten den Podcast auf unserer Website hochladen und dann über iTunes und weitere Podcast-Verzeichnisse verbreiten.

"Hier soll es nur um den Spaß an der Literatur gehen"

Das Feedback zu unserer Veranstaltungsreihe rauschen&Töchter freut uns ganz besonders! Wir haben einen relativ festen Rahmen von etwa 50 Gästen festgelegt, es gibt ein paar Snacks und Getränke, feine Live-Musik von Newcomern wie uns und natürlich die Lesungen der Vortragenden! Besonders begeistert waren unsere Gäste von der Intimität der Veranstaltung und von dem Mut der Lesenden, ihre selbst verfassten Texte vor einem so großen Publikum (meist zum allerersten Mal) vorzulesen. Wir wollen eine Plattform bieten, auf der sich jeder ausprobieren kann, egal ob erster Text oder gefeierter Poetry Slam. Hier soll es nicht um Beurteilungen gehen, sondern nur um den Spaß an der Literatur und an einem lockeren Beisammensein. Das kommt an. Viele entscheiden sich während des Abends spontan, auch noch was vorzutragen. Überraschende Vorträge können sich genauso ergeben wie tolle Gespräche mit anderen literaturbegeisterten Menschen. Nach den Lesungen geht bei uns niemand nach Hause – wir feiern weiter.

Um der ganzen Sachen noch den speziellen Kick zu geben, finden unsere rauschen&Töchter an besonderen und ungewöhnlichen Orten statt. Zuletzt war dies ein Obst- und Gemüseladen, der auf den ersten Blick vor allem ziemlich nüchtern war. Wir haben ihn so gestaltet, dass eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre entstanden ist, eingerahmt von Zitronen, Minze, Tomaten, Kartoffeln und ganz vielen Blumen.