Auf dem Podium diskutierten Bettina Breitling, Verlagsgruppe Random House, Markus Hartmann, Verlag Hatje Cantz, Claudia Kaiser, Frankfurter Buchmesse, Alexander Melzer, Evangelisches Verlagshaus Leipzig, und Gaelle Toquin, Patmos Verlag.
Börsenblatt: "Viele deutsche Lizenzmitarbeiter glauben, dass die anderen bereits gute Geschäfte in China machen, nehmen ihren eigenen Verlag aber davon aus", schreibt Alexander Melzer in seiner Analyse des chinesischen Lizenzmarkts. Wie ist Ihre eigene Einschätzung in den Verlagen?
Bettina Breitling: Im Augenblick machen wir relativ viele Verträge mit China, in diesem Jahr haben wir bereits 50 Verträge abgeschlossen.
Börsenblatt: Verraten Sie uns die Lizenzgebühr?
Breitling: Im Durchschnitt können wir im Kinderbuchbereich mit 600 Euro rechnen.
Hartmann: Wir bekommen im Kunstbuch auch schon mal 3.000 Euro Garantiehonorar. Es geht aber immer um überschaubare Summen. In unserem Fall reden wir ja über Bildrechte - manchmal winken wir einfach ab, weil uns der Aufwand letztlich zu groß ist.
Toquin: Tatsächlich steht der Ertrag oft in keiner Relation zum Aufwand. Die Verhandlungen sind oft sehr kompliziert. Unsere Euphorie wird deshalb leider etwas gedämpft.
Börsenblatt: Frau Kaiser, vielleicht haben Sie ja einen Tipp für Frau Toquin. Wie verhandelt man richtig mit chinesischen Partnern?
Kaiser: Die Chinesen haben eine Händlermentalität. Erst wenn der Vertrag unterschrieben ist, geht es für sie richtig los. Mein Tipp: Geben Sie Ihre Bücher zum Agenten. Bevor die Buchmesse das Buchinformationszentrum in Peking eingerichtet hat, habe ich im Verlag in China gearbeitet und für deutsche Verlage auch einige Lizenzen verkauft. Da haben wir genau diese Arbeit gemacht.
Breitling: Das kann ich nur bestätigen. Wir machen alles über Agenten, weil die Kultur uns eben doch einfach zu fremd ist.
Kaiser: Sie haben die Vorteile eines weltweiten Konzerns im Rücken und ja auch ein Jointventure in China. Was macht denn Random House China eigentlich?
Breitling: Der chinesische Verlag, mit dem Bertelsmann ein Joint Venture hat, ist für uns genauso ein Verlag wie andere auch.
Börsenblatt: Kurzum - das Preisniveau ist niedrig, die Verhandlungen sind kompliziert: Warum ist der chinesische Markt trotzdem so attraktiv?
Breitling: Der Autor, der bei uns verlegt, hat das Recht, überall vertreten zu sein. Außerdem macht Kleinvieh auch Mist. Und wir hoffen natürlich, dass der Markt sich weiterentwickelt.
Börsenblatt: Stehen die Verlage in den Startlöchern, um mehr in China zu machen?
Alexander Melzer: Im sensiblen Publikationsbereich läßt sich die chinesische Führung noch ungern hineinreden. Da sind bisher nur Koprodukionen möglich. Man wartet darauf, dass die politischen Restriktionen fallen. Bis 2050 wird sich einiges tun, so die Prognose. Es ist einfach eine strategische Frage, ob man bereit ist, jetzt schon so weit in die Zukunft zu investieren.
Börsenblatt: Vielleicht können Sie, Frau Kaiser, noch einmal sagen, was sich auf dem chinesischen Markt verkauft?
Kaiser: Laut Börsenvereinsstatistik laufen Kinderbücher am besten, gefolgt von der Architektur und Ratgebern.
Toquin: Unser Renner bei Patmos sind die Bilderbücher. Mit erzählender Literatur fängt es langsam an.
Börsenblatt: Mögen Chinesen besonders die deutschen Bilderbücher? Unterscheiden sich die ästhetischen Vorlieben gar nicht so sehr?
Toquin: Ich kann nicht unbedingt sagen, was ein chinesischer Verleger besonders mag, weil wir doch sehr unterschiedliche Stile verkauft haben.
Börsenblatt: Herr Hartmann, auch Kunstbuchlizenzen sind durchaus gefragt. Sie sind aber eher skeptisch beim China-Geschäft - und haben zudem mit Raubkopien zu kämpfen...
Hartmann: Bei uns gab es in den letzten zehn Jahren in der Tat sehr viele Raubkopien - und zwar immer näher am Termin zur Buchveröffentlichung. Natürlich könnte man sich einen Rechtsanwalt nehmen und dagegen vorgehen - aber was passiert, wenn ein Raubdrucker erwischt wird? Die Raubkopien gehen nicht über den Buchhandel, sondern über andere Vertriebswege, die sich der Kontrolle entziehen. Uns hat es jetzt drei- oder viermal getroffen. Die Software- oder Filmindustrie trifft es natürlich viel stärker.
Börsenblatt: Das heißt - lieber auf den Hype verzichten? Auch auf dem Kunstmarkt gibt es ja gerade eine China-Welle...
Hartmann: Wir lehnen oft ab und bitten die Verlage, in zehn Jahren noch mal wiederzukommen mit dem Projekt. Wir haben ein Buch gemacht über eine Sammlung chinesischer zeitgenössischer Kunst. Ansonsten warten wir erstmal ab. In Europa scheint uns der Markt vorerst gesättigt.
Börsenblatt: Gegen Raubkopien kann man wohl weniger machen, aber wenn man einen Vertrag abgeschlossen hat - wie kann man dann den Weg eines Buches nachverfolgen?
Breitling: Wir gehen über unseren chinesischen Agenten. Es gibt Termine, wenn das Buch dann nicht kommt, fragen wir nach und es kommt dann ein halbes Jahr später. So dramatisch ist es nicht: Ich habe nicht das Gefühl, dass wir viele Verträge machen, die dann nicht zu Büchern führen.
Kaiser: Um noch was zum Thema Raubkopien zu sagen - man kann natürlich einen Anwalt einschalten. Die Möglichkeiten, etwas zu tun, sind jetzt sehr viel besser, als sie es jemals waren. Das Bewusstsein für die Problematik wächst: Wir sind auch schon mit einem Verlag zu einer gütlichen Einigung gekommen.
Toquin: Das Vertrauen zwischen uns und den Verlagen ist sehr wichtig, sonst kann man wenig machen.
Melzer: Es kommt so rüber, als wären die Chinesen die größten Raubkopierer der Welt. In manch anderem Land ist es aber auch nicht besser.
Hartmann: Irgendwann wird es für uns interessant sein, die chinesische Ausgabe selber zu machen und in China zu verkaufen. Ansonsten glaube ich auch, dass der Markt sich normalisieren wird, Raubkopien weniger werden und auch die Preise steigen werden. Aber das ist ein Prozess. Für uns ist der chinesische Markt in jedem Jahr zwischen 50 und 100 Prozent gewachsen. Aber das sind Verkäufe eigener Bücher in die Länder.
Breitling: Für uns wäre es wichtig, dass die privatwirtschaftlichen Verlage, die es neben den 570 stattlichen Häusern gibt, sich endlich weiter entwickeln dürfen. Das bringt den Durchbruch...
Kaiser: Absolut. Als ich 2002 aus China weggegangen bin, hieß es, in fünf Jahren ist es so weit, da sind die privaten Verlage den staatlichen Unternehmen gleichgestellt. Jetzt warten wir immer noch darauf...
Melzer: Eines Tages wird China sicher seinen Platz in der weltweiten Buchwirtschaft einnehmen. Es wird aber eher 50 Jahre als füünf dauern. Es ist schwierig, da Prognosen abzugeben.
Kaiser: Trotzdem - auch wenn noch keine großen Beträge dabei rumkommen, so werden doch viele Lizenzen nach China verkauft, etwa 600. Umgedreht kommen wir auf 14 Lizenzen, die von China nach Deutschland verkauft werden. Insofern ist es auch etwas traurig zu sehen, dass wir unsere Bücher in den chinesischen Markt bringen wollen, umgekehrt aber nicht sehr interessiert an chinesischen Büchern sind. Wir hoffen, dass durch den China-Auftritt 2009 auf der Frankfurter Buchmesse auch in dieser Richtung etwas entscheidend passiert.