E-Books

"US-Verlage legen uns oft Steine in den Weg"

22. Oktober 2007
Redaktion Börsenblatt
Das Geschäft mit E-Books kommt nur langsam in Schwung – zumindest im Bereich Belletristik und Sachbuch. Schuld ist nicht nur das Fehlen preiswerter Lesegeräte. Zögerliche Lizenzpartner in den USA, unklare Abrechnungsmodalitäten und fehlende Vertragsstandards erschweren das Geschäft, sagt Campus-Rechtechefin Franziska Hildebrandt im Interview.
Hildebrandt, die seit 2001 die Abteilung Rechte und Lizenzen beim Frankfurter Campus Verlag leitet, war Referentin beim diesjährigen International Rights Directors Meeting zum Thema "From Fear Factor to Revenue Stream - Managing Digital Rights" in Frankfurt. Der Titel ihres Vortrags lautete "Contracts and Common Standards for Digital License Deals". Warum tun sich Verlage beim Handel mit digitalen Rechten noch so schwer? Hildebrandt: Da muss man differenzieren: Im Fachzeitschriften- und Fachbuchbereich oder bei wissenschaftlichen Publikationen sind elektronische Produkte schon selbstverständlich. Im amerikanischen Markt gibt es zahlreiche Fachzeitschriften, die ausschließlich in E-Book- beziehungsweise in digitaler Form veröffentlicht werden. In Deutschland wird die Belletristik als der Haupt-Buchmarkt wahrgenommen, und hier geht es tatsächlich nur langsam voran – wer will schon einen 1.000-Seiten-Roman am PC lesen. Die geeigneten E-Book-Lesegeräte sind zudem noch teuer und daher nicht sehr weit verbreitet. Können Sie ein Buch, von dem Sie die Rechte halten, jederzeit auch als elektronische Version vermarkten? Hildebrandt: Nein. Bevor wir elektronische Inhalte lizenzieren oder vertreiben können, müssen wir im Besitz der Rechte sein – was teilweise nicht der Fall ist. Und hier liegt das generelle Problem. Wir haben dann zwar die Rechte an einem Buch beispielsweise von Richard Nelson Bolles oder Stephen Covey, die Erlaubnis zur elektronischen Verwertung ist im Vertrag aber nicht enthalten. Dann versuchen Sie, die Rechte im Nachhinein zu erwerben? Hildebrandt: Ja. Bei den deutschen Autoren haben wir schon vor Jahren damit begonnen, die Verträge umzustellen und um die elektronischen Rechten zu ergänzen. Bei neuen Verträgen versuchen wir immer, diese gleich mit einzukaufen, was in der Regel auch ohne weiteres gelingt. Schwieriger ist es bei den ausländischen Autoren. Auch hier wollen wir uns diese Rechte gleich von Beginn an sichern, was allerdings häufig nicht klappt. Aus welchem Grund? Hildebrandt: Amerikanische Agenten und Verlage agieren bei der Vergabe elektronischer Rechte sehr zurückhaltend. Nehmen Sie das gerade heftig diskutierte Buch von John J. Mearsheimer und Stephen M. Walt mit dem Titel „Die Israel-Lobby“: Der amerikanische Agent verkauft die Rechte für die englische Ausgabe an einen US-Verlag. Zudem beauftragt er weltweit Subagenturen, die zum Beispiel die Rechte an europäische Verlage verkaufen. Eine Sub-Agentur in Zürich vergibt an den Campus Verlag die Rechte für die deutsche Übersetzung. Es sind verschlungene Wege, die sicher ein Grund für die Unsicherheit sind. Dies erklärt allerdings nur zum Teil, warum US-Verlage europäischen Verlagen bei der Vergabe digitaler Rechte oft Steine in den Weg legen. Welches Interesse kann ein US-Verlag denn haben, Ihnen die digitalen Rechte für die deutsche Ausgabe vorzuenthalten? Hildebrandt: Diese Frage wurde auch beim Rights Directors Meeting in Frankfurt mehrfach gestellt, denn dies macht tatsächlich keinen Sinn. Wir haben schließlich schon die Übersetzungsrechte, und der US-Verlag kann sowieso nichts damit tun. Unsere Fragen wurden von den anwesenden englischen Verlagspartnern nicht beantwortet. Die Franzosen, Spanier oder Skandinavier haben auf diesem Gebiet übrigens die gleichen Probleme wie wir. Verstehen Sie die Ängste? Hildebrandt: Zum Teil ja. Wenn ein japanisches Unternehmen mit der Absicht an uns herantritt, einen Titel elektronisch verwerten zu wollen, will ich schon auch genau wissen, was sie vorhaben. Wir arbeiten deshalb vor allem mit Verlagen zusammen, bei denen ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Zusammenarbeit funktioniert. Es ist aber doch wie im Buchbereich: Man muss dem Geschäftspartner Vertrauen entgegen bringen, sonst kann man es gleich bleiben lassen. Daher ist es auch so schwer zu verstehen, warum sich US-Verlagen mit digitalen Rechten so schwer tun, obwohl wir beim Buch gut zusammenarbeiten. Was können Sie tun? Hildebrandt: Vertrauen schaffen. Der Campus Verlag hat schon 2001 ein Addendum entworfen, in dem genau steht, zu welchen Konditionen wir die Rechte erwerben wollen, was wir auf Vertriebsseite machen usw. Die Partner sehen, dass mit den digitalen Rechten an einem Titel etwas Konkretes passiert und dass wir uns die Rechte nicht pauschal sichern wollen. Bei Büchern wird auf Basis von gedruckter oder verkaufter Auflage abgerechnet. Wie sehen Abrechnungsmodelle im E-Book-Bereich aus? Hildebrandt: Leider gibt es noch keine klaren, einheitlichen Regeln für die gesamte Branche. Es bringt nichts, nur nach kompletten E-Book-Preisen abzurechnen, weil ein Buch, insbesondere im Sach- und Fachbuch, ja auch seiten- oder kapitelweise heruntergeladen wird. Wir versuchen inzwischen, mit allen Partnern eine Abrechnung auf der Basis des Nettoumsatzes zu vereinbaren: Alles, was in einem bestimmten Zeitraum für einen Titel hereinkommt, wird addiert, egal, ob 20 Cent für eine Seite oder drei Euro für ein Kapitel. Dazu kommt der Betrag, den wir von unseren Vertriebspartnern wie Ciando.de bekommen. Auf Grundlage dieser Gesamtsumme zahlen wir dann das Honorar. Wie groß ist denn der Umsatz, den Campus mit digitalen Inhalten macht? Hildebrandt: Unser Ziel ist es, im Jahr 2016 einen Anteil von zehn Prozent am Gesamtumsatz zu erreichen. Selbstverständlich sind wir derzeit davon noch ein großes Stück entfernt, freuen uns aber über die stetigen Umsatzzuwächse. Was wichtig ist: Der Umsatz kommt über die breite Masse. Das heißt, man verdient nicht an zwei Spitzentiteln, die man aus seinem Programm auswählt, sondern am breiten Titelstamm. Wie viele Titel des Programms werden denn digital bereitgestellt? Hildebrandt: Von unserem gesamten Programm wandern ca. 80 Prozent in das Angebot der E-Book-Händler beziehungsweise auf unsere eigene Plattform www.campus-digibook.de. Interview: Eckart Baier