Der chinesische Buchmarkt – Was ist das eigentlich?

24. Oktober 2007
Redaktion Börsenblatt
Der chinesische Buchmarkt ist seit mehreren Jahren in aller Munde. Traumhafte Wachstumsraten, riesige Märkte und ein bildungshungriges Volk von 1,3 Milliarden Menschen lassen nur einen Schluss zu: wer jetzt keine Lizenzen nach China verkauft, ist selbst schuld.
Im Gespräch mit Lizenzmitarbeitern namhafter deutscher Verlage bietet sich jedoch ein anderes Bild: Klagen über geringe Lizenzerlöse, langatmige Verhandlungen, ausbleibende Zahlungen und immense Probleme mit Raubdrucken scheinen tatsächlich das Lizenzgeschäft mit China zu bestimmen. Irgendwo dazwischen wird wohl die Realität liegen. Wagen wir also einen genaueren Blick auf den chinesischen Buchmarkt. Der chinesische Buchmarkt steckt seit Beginn der Reformen von Deng Xiaoping Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts wie die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft in einem tiefgreifenden Transformationsprozess von einem staatlich gelenkten Propaganda-Apparat zu einem marktwirtschaftlich orientierten System. Konkurrenz statt kommunistischer Erziehung - marktwirtschaftliches Denken statt Lenkung von Oben sind die Schlagwörter von heute. Allerdings stößt dieser Transformationsprozess im Publikationsbereich an eine entscheidende Grenze. Die kommunistische Partei will zur Sicherung ihres alleinigen Herrschaftsanspruchs nicht auf die Kontrolle der publizierten Inhalte verzichten. Deswegen gibt es im sensiblen Publikationssektor offiziell keine privaten Unternehmen. Es existieren zwar schätzungsweise 10.000 private Verlage, diese sind jedoch in ihrer Arbeit auf die Staatsverlage angewiesen, da diese alleine über die für die Veröffentlichung eines Buches unerlässlichen ISB-Nummern verfügen. Die Innovationskraft im Buchmarkt geht vor allem von den von halb-legalen privaten Verlagen aus. Sie sind flexibler, kreativer und arbeiten häufig mit modernen Management-Methoden. Viele Staatsverlage wirken dagegen wie Behörden. Ein anderes großes Hindernis für die Entwicklung des Buchmarktes liegt in dem unterentwickelten Vertriebsnetz in China. Barsortimente sind gänzlich unbekannt, viele Bücher erreichen nur eine regionale Zielgruppe. Schließlich sind Raubdrucke und ein geringer durchschnittlicher Ladenpreis für Bücher weitere Probleme, die das Geschäft mit China so schwierig machen. Gerade deswegen lohnt es sich, den chinesischen Buchmarkt genauer zu betrachten. Wo liegen die Chancen, wo die Risiken? Welche Bücher lieben chinesische Leser? Warum werden so viele Bücher in China kopiert? Ich lade Sie ein, mich in den nächsten Wochen hier im China-Blog auf einer virtuellen Reise durch den Kosmos des Buches in China zu begleiten. Im nächsten Beitrag erfahren Sie mehr über: Zwischen Pop und Propaganda – das Buch in China