Zum 1. Oktober konnten die KNV-Gläubiger ihre Forderungen für die Insolvenztabelle anmelden. Wie hoch war der Gesamtforderungsbetrag?
Ich will mich bei den Zahlen auf das KNV-Barsortiment konzentrieren, denn dort sind die Verlage und Buchhändler im Wesentlichen betroffen. Dort hatten wir Forderungsanmeldungen von rund 220 Millionen Euro, davon sind einige bestritten und wurden (noch) nicht oder nicht in voller Höhe anerkannt. Das kann mehrere Ursachen haben: Zum Beispiel melden Sozialversicherungsträger ihre Forderungen zu Beginn eines Verfahrens noch als Schätzbeträge an und berichtigen sie dann im Laufe der Prüfung. Auch waren Doppelanmeldungen zu verzeichnen, einmal vom Anwalt, einmal vom Verlag, teilweise lagen aber auch Abweichungen zur Buchhaltung von KNV vor und Belege haben gefehlt. Diese Dinge arbeiten wir jetzt Stück für Stück ab. Wenn Sachverhalte abschließend geklärt sind, kann ich mein Bestreiten zurücknehmen, so dass die Forderungen nachträglich festgestellt werden. Es gab bei den Forderungsanmeldungen jedoch nichts Besonderes, das außerhalb des üblichen Rahmens gelegen hätte.
In welcher Spanne bewegen sich die angemeldeten Forderungen?
Die Gläubiger melden schon Beträge ab zehn Euro an. Das geht hoch bis zu den Banken – bei den Kreditinstituten gelangen wir in Summe zu einem dreistelligen Millionenbereich.
Wie viele Gläubiger sind es insgesamt?
Allein bei KNV waren es rund 2.100 Gläubiger.
Wie viel Forderungen stammen von den Verlagen?
Das kann ich nicht genau sagen, weil wir in der Insolvenztabelle nicht differenzieren. Jeder Gläubiger ist gleich und bekommt dieselbe Quote. In welcher Höhe die Verlage Forderungen angemeldet haben, ob ihre ursprünglichen oder ob reduzierte Forderungen, das kann ich im Einzelfall nicht benennen. Zu Beginn des Verfahrens hatten die Verlage Forderungen in einer Größenordnung von 45 Millionen Euro. Auf diese Forderungen haben wir aber durch die Abrechnung des Eigentumsvorbehalts bereits erhebliche Zahlungen geleistet. Stand jetzt sind es mehr als 25 Millionen Euro, die abgegolten sind. Ca. 19 Millionen Euro sind noch offen. Und dieser Betrag wird sich noch weiter, durchaus nennenswert, reduzieren.
Welches ist derzeit Ihre Haupttätigkeit im KNV-Insolvenzverfahren?
Ein wesentlicher Schwerpunkt ist der Abverkauf des Lagers. Das Lager hat KNV Zeitfracht ja nicht gekauft, sondern lediglich übernommen und wickelt nun den Verkauf der Bücher für uns ab. Das funktioniert gut, das Lager wird stetig reduziert und daraus müssen und können wir die Eigentumsvorbehalte weiter abrechnen. Aus verschiedenen Gründen ist das allerdings weiterhin sehr mühsam und aufwendig. Es ist beispielsweise umsatzsteuerlich kompliziert - seit wir den Geschäftsbetrieb zum 1. August an KNV Zeitfracht übertragen haben und jetzt in der sogenannten Verwertung sind. Hinzu kommen umfangreiche Umstellungsarbeiten am System, das wir von KNV auf KNV Zeitfracht übertragen haben. Was die Sache ebenfalls nicht leichter macht, ist, dass die Lieferanten teilweise in Verlagsgruppen oder über die Auslieferungen organisiert sind. Da ist es für uns nicht immer ganz einfach nachzuvollziehen, etwa wenn wir es mit einer Auslieferung zu tun haben, welche Auswirkung das auf die einzelne Forderung eines Verlags hat. Aber es ist machbar und wir kriegen das auch hin. Es ist eben sehr aufwendig. Deswegen haben sich teilweise Verzögerungen ergeben. Aber: Wir können so die Forderungen der Verlage noch weiter reduzieren.
Sind das alte KNV-Lager und das neue KNV-Zeitfracht-Lager separiert?
Körperlich ist das Lager gemischt, aber EDV-seitig können wir alles genau zuordnen. Wir haben mit KNV Zeitfracht folgendes vereinbart: Wenn ein Buch auf Lager ist und KNV Zeitfracht das gleiche Buch noch einmal kauft und ans Lager nimmt, wird bei einem Verkauf zuerst das ältere Buch nach dem Prinzip first in, first out verkauft.
Bis wann wollen Sie den Lagerabverkauf beendet haben?
Unser Ziel ist, dass wir den Lagerabverkauf bis zum Frühjahr 2020 weitgehend erledigt haben, wobei ein Bodensatz sicher bleiben wird.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit dem neuen Eigentümer?
Sehr gut. Wir arbeiten intensiv zusammen und sind auch mit unserem Team immer wieder vor Ort. KNV Zeitfracht unterstützt uns Software- und IT-seitig und natürlich durch den Lagerabverkauf und beim Forderungseinzug.
Inwieweit kommunizieren Sie mit den Verlagen?
Mit den Verlagen befinden wir uns in einem engen Austausch, eben bezüglich der Abrechnung der Eigentumsvorbehaltsware, die individuell abgestimmt werden muss. Eigentumsvorbehalte gibt es in verschiedenen Arten, je nach Ausgestaltung ist das sehr komplex. Aus dem Tagesgeschäft sind wir raus, denn wir haben ja keinen Betrieb mehr.
Welche Zeit wird das Insolvenzverfahren noch in Anspruch nehmen?
Das ist schwierig zu sagen. Bei einem Verfahren dieser Größenordnung muss man sicherlich mit einigen Jahren rechnen. Ich glaube aber, dass es wenige Jahre sein werden. Das hängt damit zusammen, dass der Verkauf so gut gelungen ist, dass das Vermögen schon zum großen Teil verwertet wurde und auch die Insolvenztabelle keine besonderen Überraschungen erwarten lässt.
Können Sie schon etwas zur Quote sagen?
Nein, zur Quote kann ich noch gar nichts sagen. Sie hängt auch davon ab, wie es mit dem Abverkauf des Lagers weitergeht. Zudem hatten wir noch Vermögen, das nach dem Verkauf bei uns geblieben ist, und zwar die Forderungen aus den Buchverkäufen. Diese haben wir schon sehr weit eingezogen, aber eben noch nicht alle. Daran müssen wir weiter arbeiten. Sehr viel hängt davon ab, welche Einnahmen wir noch realisieren können. Dann stellt sich die Frage, was wir über den Eigentumsvorbehalt hinaus an die Lieferanten auszahlen können. Ich glaube, das wird für viele Gläubiger durchaus positiv sein. Aber das kann man erst im wirklich fortgeschrittenen Stadium absehen.
gerne möchte ich als Justiziar des Börsenvereins kurz auf Ihre Frage eingehen. Bei uns haben sich unmittelbar nach Stellung des Insolvenzantrags durch KNV sehr viele Buchhandlungen gemeldet, die z.B. aufgrund der Rückzahlung von Kautionsforderungen oder wegen noch nicht ausgezahlter Jahresboni für 2018 offene Forderungen gegen KNV hatten. Dies war auch ein häufiges Fragethema bei den Informationsveranstaltungen, die wir im Frühjahr bundesweit durchgeführt haben, und ist zudem eine in unseren FAQ-Papieren behandelte Thematik. Vielfach waren diese Forderungen der Buchhandelskunden aufrechenbar gegen noch nicht bezahlte Rechnungen für Warenlieferungen durch KNV. Rasch und richtig beratene Händler konnten deshalb durch unverzügliche Geltendmachung einer Aufrechnung vermeiden, mit solchen Forderungen zu Insolvenzgläubigern zu werden. Inzwischen besteht diese Möglichkeit nicht mehr, weswegen Sie Ihre Kautionsforderungen jetzt entsprechend der Aufforderung durch den Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden sollten. Eine Sammelklage zum jetzigen Zeitpunkt hieße, gutes Geld schlechtem hinterherzuwerfen, weil bei KNV offensichtlich kein separates und gesichertes Kautionskonto geführt wurde.
Vielleicht sollten Sie mal über einen Beitritt zum Börsenverein nachdenken. Für die 1.500 EUR, die Sie jetzt weitestgehend abschreiben können, hätten Sie sich auch mehrere Jahre Beratung in branchenspezifischen Rechtsfragen – zum Beispiel in Sachen KNV-Insolvenz –, Teilnahme am Vorteilsprogramm Ihres Berufsverbands und viele hilfreiche Serviceangebote sichern können...
ich bin kein Jurist (und auch nicht durch die Insolvenz betroffen) aber meine eigene Erfahrung mit der Rechtssprechung sagt mir, dass sich die Frage stellt was im Vertrag steht. Bei Wohnkautionen wird der Vermieter verpflichtet die Kaution insolvenzsicher zu verwahren. In der Annahme, dass so ein Passus nicht im Vertrag steht, bleibt eigentlich nur die Insolvenztabelle. ...
Fraglich ist nur zusätzlich ob möglicherweise die handelnden Personen wissentlich Gelder Dritter geschädigt/ausgegeben haben. Falls ja könnte man evtl. Schadensersatz gegen diese Personen fordern. Strafrechtlich wird sowas ggf. als Untreue behandelt.
Es hilft aber nur der Besuch bei einem (ggf. branchenfremden) Anwalt. Ich persönlich würde lieber nochmals 1.000€ in einen Anwalt investieren als mich weiter darüber zu ärgern, dass ich zuschauen muss, wie mein Eigentum (Kaution) hier zur Bezahlung von diversen Rechnungen und Bankforderungen eingesetzt wird.