Recht und Gesetz

Was tun bei massenhaften Abmahnungen?

3. Januar 2008
von Börsenblatt
Abmahnungen sollten nie ungeprüft akzeptiert werden – sie können gänzlich oder teilweise unberechtigt sein. Ebenso können überzogene Anwaltgebühren verlangt werden, deren Höhe maßgeblich vom sogenannten Streitwert abhängt. Der jedoch liegt nicht im Ermessen des abmahnenden Anwalts.
Oft kommt sie für den Betroffenen überraschend: die Abmahnung durch einen Konkurrenten oder Wettbewerbsverband. Als Mittel der außergerichtlichen Streitbeilegung erfüllen Abmahnungen einen guten Zweck, haben aber auch ihre Schattenseite: In regelmäßigen Abständen werden Unternehmen von Abmahnwellen heimgesucht, von denen auch der Buchhandel nicht verschont bleibt. Aktuelles Beispiel sind Online-Antiquare, die wegen des Verkaufs indizierter Bücher ins Visier eines tatsächlichen oder vorgeblichen Wettbewerbers geraten sind. Meist geht es um Profaneres, um Verstöße gegen das Fernabsatzrecht etwa, um fehlerhafte Widerrufsbelehrungen oder unzulässige Gerichtsstandklauseln. Viele Verstöße unterlaufen unwissentlich. Gerade die Vorschriften zum E-Commerce sind so kompliziert, dass selbst Juristen Schwierigkeiten haben, sie zu begreifen. Trotzdem schützt Unkenntnis vor Strafe nicht: Unterlassungsansprüche sind, anders als Schadensersatzansprüche, grundsätzlich verschuldensunabhängig. Nie sollte eine Abmahnung ungeprüft akzeptiert werden. Manchmal sind Abmahnungen gänzlich oder teilweise unberechtigt, oder es werden überzogene Anwaltgebühren geltend gemacht, deren Höhe maßgeblich vom sogenannten Streitwert abhängt. Dieser liegt aber nicht im freien Ermessen des abmahnenden Anwalts, sondern grundsätzlich nur im Ermessen des Gerichts. Leider verfahren die Gerichte uneinheitlich – bei Verstößen gegen das Fernabsatzrecht etwa wurden in der Vergangenheit Streitwerte zwischen 1.000 und 15.000 Euro festgesetzt. Strafe oft unangemessen Mitunter ist eine vorformulierte Verpflichtungserklärung zu weit gefasst, das heißt, sie geht über die konkret zur Last gelegte Verletzungshandlung hinaus. Dann empfiehlt sich die Abgabe einer modifizierten Erklärung. Manchmal stellt der Abgemahnte auch fest, dass sich der Abmahnende selbst nicht an die Spielregel hält, etwa keine Pflichtangabe auf der Website hat. Der Einwand der »unclean hands« lässt den Unterlassungsanspruch zwar nicht entfallen und macht die Abmahnung auch nicht ohne Weiteres missbräuchlich, er fördert im Einzelfall aber die »Vergleichbereitschaft« der Gegenseite. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Vertragsstrafe. Für den Verletzer ist häufig eine Regelung günstig, nach der die Höhe der Vertragsstrafe gerichtlich auf ihre Angemessenheit überprüft werden kann. Dies kann vor bösen Überraschungen schützen: Unlängst wurde ein Buchhändler nach Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafeforderung von 48.000 Euro konfrontiert; später haben sich die Beteiligten auf 4000 Euro geeinigt. Legte in diesem Fall schon die astronomisch hohe Summe den Einwand des Rechtsmissbrauchs nahe, sind Vielfach-abmahnungen oft Indiz für eine missbräuchliche und damit unzulässige Abmahnung. Aber auch hier gibt es keine klare Rechtsprechung. Nach einer Entscheidung des Oberlandes­gerichts Frankfurt etwa sind Vielfachabmahnungen auch durch ein wirtschaftlich unbedeutendes Unternehmen grundsätzlich zulässig. Anders verhalte sich dies, wenn Abmahner und Anwalt kollusiv zusammenwirkten. Damit der Beschuldigende keine einstweilige Verfügung beantragt, ist die Abgabe einer gegebenenfalls modifizierten Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu empfehlen. In jedem Fall ist es wünschenswert, dass der Gesetzgeber in Bezug auf Vielfachabmahnungen für größere Rechtssicherheit sorgt – durch klare Vorschriften, die missbräuchlichen Abmahnungen einen Riegel vorschieben.