Buchhändler Matthias Beckwermert über Motivation

Herzensangelegenheiten

4. Dezember 2019
von Börsenblatt
Matthias Beckwermert betreibt im Osnabrücker Land ab Januar 2020 seine vierte Filiale. Was motiviert ihn? Auf die Frage antwortet der Buchhändler hier sehr persönlich. Seine Energie schöpft er nicht aus Geschäftsplänen.

Unternehmergeist? Manchmal, sonst bedingt. – Buchleidenschaft? Ganz unbedingt! – Reichtum und Macht? Wer’s glaubt... Was treibt mich eigentlich an zur Eröffnung einer weiteren Filiale in den kleinen Kurorten unseres Landkreises? Die Antwort ist tief verwurzelt in meiner persönlichen Geschichte.

Angefangen vor über 25 Jahren, ich war ein trauriger Bibliotheksstudent in Münster, hörte ich vom Verkauf der Buchhandlung in meinem Heimatort. Es stellte sich heraus, dass der Verkauf durchaus geplant, aber noch nicht öffentlich gemacht worden war. Warum ich davon wusste? Es war das kleine Gespräch am Rande, in einer Buchhandlung, wo ich von den Verkaufsabsichten erfuhr. Ich meldete mich, lernte alles Wichtige, kauft mit meiner Frau die Buchhandlung (keine Ahnung, wo ich damals das Geld herbekam) und startete ein neues Leben.

Dieses Leben hatte eine Besonderheit: Neben Buchleidenschaft, Kreativität etc. war mir vor allem meine Freiheit eine echte Stütze der persönlichen Entwicklung. Wie viel Ringen, Leiden und Ängste stecken zudem in diesen Anfangsjahren. Doch das ist alles schnell vergessen, wenn eine noch größere Herausforderung uns erreicht: die Kinder. Man darf durchaus von einer kopernikanischen Wende sprechen, denn welcher Spiegel ist stärker als die großartige Offenheit und Ehrlichkeit der Kinderseele?

Unternehmerische Entscheidungen (hat es auch gegeben!) sind gescheitert, E-Books tauchen auf und sind schrecklich nervig für uns Buchhändler, vor allem für die, die handylos das Leben meistern wollen und immer noch an Freiheit glauben. Die erste Filiale war ein Reinfall, da der Vorbesitzer sowieso aufhören wollte – es lohnte sich nicht. Die zweite Filiale war das Ergebnis eines tragischen Geschehens, da die Buchhändlerin verunglückt war und der hinterbliebene Ehemann nicht die Kraft zur Fortführung des Geschäfts besaß. Der dritte Versuch hatte einen unternehmerischen Geist und scheiterte an allem. Der vierte Versuch war eine Entscheidung mit vielen Komponenten, nur wirtschaftliches Denken gepaart mit Statistik und Co. war nicht dabei. Dieser Versuch glückte.

Nun also die Übernahme einer kleinen Buchhandlung im Nachbarort, es ist auch hier eine Herzensangelegenheit, und ich bin ohne Sorge. Es geht hier um Menschen und um Bücher. Das Gemeinsame, das Verbindende auch in unseren kulturellen Angeboten schaffen Lebendigkeit und Freude. Das sind die echten Motoren unserer Entscheidungen. Nur per Klick Bücher zu kaufen, ist Bequemlichkeit, die kleine Schwester der Langeweile. Das kleine, überraschende Gespräch am Rande, das ist lebensspendend, manchmal richtungsweisend.

Meine Gelassenheit in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit einer Buchhandlung ist fast rational, meist emotional – auf jeden Fall ein persönlicher Glücksfall. Und wenn doch alles anders wird, dann beginnt wieder ein neues Leben – mit meiner Frau, meinen Kindern und dem Wissen, dass es immer einen guten Weg geben wird, wenn man sich ihm vollends hingibt.

Nebenbei bin ich Naturschützer, mit ganzer Kraft. Ich liebe die Natur, jedes Buch verblasst im Sonnenstrahl, jedes Wort macht sich überflüssig in der wunderbaren Energie der Natur. Auch wenn es auf den ersten Blick ungewöhnlich scheinen mag, so sind der Beruf des Buchhändlers und der Nebenjob als BUND-Kreisgeschäftsführer ein Geschwisterpaar – verschieden und doch verbunden. Da wird Ganzheitlichkeit mal ganz praktisch, also lebendig!