Eine, wenn auch unvollständige, Geschichte der Begräbnis-Violine in der Trauerhalle des Leipziger Südfriedhofs, junge Amerikaner auf dem Brooklyn-Charm versprühenden Gelände der Baumwollspinnerei: Das sind zwei von rund 300 Leipzig liest-Orten im kommenden März. Daneben gibt es Krimis im Landgericht, Lyrik im Gohliser Schlösschen, Hörbuchnächte in der Alten Handelsbörse, eine lange Nacht mit 68ern östlicher und westlicher Prägung - und jede Menge Lese-Locations mit so ausgefallenen Namen wie Noch besser Leben oder Paris Syndrom. Im Rahmen des Lesefests, das seit 17 Jahren mit der Messe verbunden ist, erwarten die Besucher heuer über 1900 Veranstaltungen mit rund 1500 Autoren. Wir haben uns bei der Programmgestaltung im Zaum gehalten und sind nicht weiter gewachsen, erklärte Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse. Das kommt der Qualität des Festivals zu gute. Die Stadt Leipzig, die wie der Börsenverein, der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR), der Club Bertelsmann und das Kuratorium Haus des Buches zu den Mitveranstaltern von Leipzig liest gehört, hat den Vertrag mit der Buchmesse kürzlich bis 2010 verlängert.
Rund 150 Buchpremieren wird man in den vier Märztagen erleben können; die Liste prominenter Autorinnen und Autoren ist lang: Martin Walser, der vor Jahresfrist seinen 80. Geburtstag in Leipzig feierte, hat sein neues Buch im Gepäck. Ihr Kommen angesagt haben unter anderem Marcel Beyer, Elke Heidenreich, Thomas Brussig, Katja Lange-Müller, Alice Schwarzer, Helge Schneider, Charlotte Roche, Andrea Maria Schenkel und Feridun Zaimoglu. Die Speerspitze der jungen deutschsprachigen Literatur wird sich zum dritten Mal während der Langen Leipziger Lesenacht im Studentenclub Moritzbastei präsentieren. Um die Leseinsel junger Verlage gruppieren sich heuer 20 Independent-Verlage mit eigenem Lesungs-Programm; erstmals wird es auch in Leipzig eine gemeinsame Party der Jungen Wilden geben.
Ein traditioneller Schwerpunkt der Buchmesse ist auch 2008 die Präsentation der mittel- und osteuropäischen Länder. Kroatien, das sich gegenwärtig für seinen EU-Beitritt rüstet, wird mit einer auf insgesamt drei Jahre angelegten Schwerpunktpräsentation in Leipzig zu Gast sein. Rund 30 Autoren haben die Kuratoren des Projekts, Alida Bremer und György Dalos, um sich versammelt. Besonders wichtig ist ihnen dabei der Dialog mit Schriftstellern und Intellektuellen aus anderen europäischen Ländern. So werden mit Unterstützung der Robert Bosch Stiftung auch Autoren aus Bosnien, Montenegro oder Serbien ins Programm integriert. Prominente Fährleute sorgen dabei für den Transport der kroatischen Literatur: Nenad Popovic und Slavenka Drakulic, Träger des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung, gehören ebenso dazu wie die Schriftsteller Josef Haslinger und Claudio Magris oder Tatort-Kommissar Miroslav Nemec. Eine ausführliche Vorstellung des Kroatien-Schwerpunkts findet am 4. März im Haus der Berliner Festspiele statt.
Das in Zusammenarbeit mit dem LCB und dem Auswärtigen Amt aufgelegte Autorenspecial der Messe steht in diesem Jahr unter dem Motto Stadteinsichten Akzeptanz und Aggression in der urbanen Gesellschaft Als Gäste werden Marcel Beyer, Mircea Cartarescu (Rumänien), Rafael Chirbes (Spanien), Slavenka Drakulic (Kroatien), László Végel (Serbien), Michal Witkowski (Polen) und der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominierte, in Berlin-Kreuzberg lebende Sherko Fatah erwartet. Auch traditionelle Reihen wie Kleine Sprachen große Literaturen, wo Autoren aus 18 Ländern zu grenzüberschreitenden Tandemlesungen zusammen finden, oder European Borderlines sind für die Messe-Organisatoren gelebte Netzwerkarbeit zwischen den professionellen Transporteuren der Literatur.
Rund 120 Aussteller präsentieren sich in Halle 3 mit eigenen Ständen oder am Gemeinschaftsstand der Hörbuchverlage. Wie immer sind auch sämtliche ARD-Anstalten mit von der Partie. Während klangvolle Namen wie Elke Heidenreich, Ulrich Noethen oder Jan Philipp Reemtsma das breite Publikum locken sollen, wird Leipzig zum heimlichen Mekka der Off-Hörspielszene: Zum fünften Mal richtet der Hörspielsommer e. V. seinen Hörspiel-Nachwuchswettbewerb aus. Er bietet Autorinnen und Autoren die Chance, ihre unveröffentlichten Produktionen im Hörspielzelt auf der Messe vorzustellen und professionelle Kontakte zu knüpfen. Neben den Fach- und Publikumsveranstaltungen in Halle 3 und den Hörbuchnächten in der Alten Handelsbörse setzt die live in den Äther geschickte 8. ARD-Radionacht der Hörbücher ein Glanzlicht. Zu den Gästen gehören neben Rufus Beck und Julia Franck mit Karoline Eichhorn (SWR) und Hilmar Eichhorn (MDR) zwei der Kommissare, die im neuen Radio Tatort der ARD ermitteln.