Meinung

»Foucault mit F oder V?«

21. Februar 2008
Redaktion Börsenblatt
Sortimenteralltag: Von allerlei Zumutungen im Buchhandel. Eine Glosse von Reinhard Kreissl.
Der Buchhandel, emsiger Diener der lesenden Klassen, strahlender Stern der Gutenberg-Galaxis, kämpft in teurer Innenstadtrandlage tapfer gegen die rasende Analphabetisierung der Enkel Goethes. Wachsend die Zahl der Feinde, die den Bookinisten umringen, genährt vom wirtschaftlichen Wandel, der weg vom Buch(staben) und hin zum Bild(schirm) führt. Auch das überbordende Verlagswesen, heillos verstrickt in selbstzerstörerische Materialschlachten um Anteile am schrumpfenden Markt, bedrängt ihn im Kampf um Stell- und Regalfläche. Belabert von den schönzüngigen Boten der Verleger erwehrt er sich mit letzter Kraft der als Bücher verkleideten Dummbeuteleien der Prominenz, denen er wertvollen Platz einzuräumen jedoch nicht umhinkommt, will er dem Schicksal beschaulicher Verarmung entgehen. So wird ihm so manche Zumutung von Autoren, Verlegern und sonstigen Westentaschen-glitterati zuteil. Wollen jene doch sich und ihre Werke dem desinteressierten Publikum zur Schau gestellt sehen. Und wenn dann doch sich eine leichte Konjunktur abzeichnet und ein Harpe Kerkeling oder Harry Potter die Massen in die Buchhandlungen treibt, dann kann auch das den Buchhändler nicht wirklich erfreuen. Gilt es doch, der Marketingabteilung einschlägiger Verlagshäuser Tribut zu zollen und als mitternächtlicher Weihnachtsmann für die potterisierte Jugend am Erscheinungstag den Laden zu öffnen. Der Leser hingegen existiert in zu geringer Zahl und fordert zudem zeitfressende Zuwendung vom Händler seines Vertrauens. Dies verweist auf ein weiteres Problem: Frei nach der Assoziationskette, die von Pfannkuchen über Omelette zu Hamlet führt, sieht der Händler sich oft mit Anfragen nach Spezialtiteln konfrontiert, die aber die Interessenten nur im Ungefähren zu beschreiben in der Lage sind. Schlimmstenfalls fragt einer nach einem dicken Buch mit einem grünen Umschlag, wo es um Indianer geht. Andererseits glänzen aber auch und gerade die Fachkräfte des Gewerbes nicht immer durch grundlegende Kenntnisse des Sortiments. In ewiger Erinnerung ist mir die Suche nach einem Titel von Michel Foucault in einer eingesessenen Buchhandlung mittlerer Größe. Schon als die beflissene junge Dame mich fragte: »Mit F oder V?«, reagierte ich verwirrt. Als sie dann aber Fuckoh eintippte, begann auch ich für einen Moment die Vorteile eines Kundenkontos bei Amazon zu erwägen. Soll man auf diesen globalen Totengräber unserer real existierenden Buchhandlungen noch eingehen? Sind jene Smarties – die Lagerkosten im Griff, den Algorithmus auf der Festplatte und die Quartalszahlen im Kopf – nicht das lohnende Ziel des noch zu gründenden bewaffneten Arms des Börsenvereins? Contenance, geschätzte Buchhändler, und ein tröstendes Wort zum Schluss. Ich verspreche Ihnen als Ihr künftiger Kassenmagnet nie bei Amazon eine Lesung zu halten, und selbst meine exotischsten Interessen an fremdländisch verlegten Werken immer getreulich bei jenen drei oder vier grobstofflich noch existierenden Buchhandlungen zu befriedigen, denen ich die Treue halte. Der Text basiert auf dem zusätzlich zum Buch »Feinde« verfassten Kapitel »Buchhändlers Feinde« Welches sind Ihre schlimmsten oder amüsantesten Erlebnisse und Erfahrungen im Laden? Diskutieren Sie mit uns!