Das Thema Bildung wird in der Politik zur Zeit hoch gehandelt. Kommen, mit Blick auf den Musikunterricht, auf die Musikverlage sonnige Zeiten entgegen?
Scheuch-Vötterle: Schön wär's! Gesprochen wird über die Bedeutung des Musikunterrichts schon sehr lange, ich vermisse aber immer noch handfeste Konzepte der Politik. Nutzen und Wert von Musik für Kinder sind unbestritten, in der Praxis läuft die Musik als Nebenfach jedoch stets Gefahr, im Schulbetrieb hinten runter zu fallen.
Was können Sie dagegen tun?
Scheuch-Vötterle: Wir als Bärenreiter-Verlag, aber auch andere Musikverlage und -verleger, haben schon viele Gespräche mit Politikern geführt. Umgesetzt wurde bisher aber leider nur wenig. Ich kann nur unterstreichen, was Innenminister Schily vor Jahren sagte: "Wer Musikschulen schließt, gefährdet die innere Sicherheit. Wir können immer nur öffentlich an die Bedeutung des Musikunterrichts erinnern.
Welche Bedeutung hat der musikpädagogische Bereich für den Bärenreiter-Verlag?
Scheuch-Vötterle: Eine große Bedeutung, auch wirtschaftlich. Dies vor allem durch unseren musikpädagogischen Gustav Bosse Verlag, der ein breites Spektrum von musikalischen Früherziehungsmodellen bis zu Unterrichtsliteratur im Programm hat.
Kommen durch die verkürzte Gymnasialzeit (G8) in vielen Bundesländern weitere Probleme auf die Musikverlage zu?
Scheuch-Vötterle: Davon spüren wir noch nichts. Doch im Rahmen dieser Verkürzung der Schulzeit werden, so befürchte ich, auch die Musik und der Musikunterricht darunter leiden. Nicht zuletzt, weil die Freizeit für die Kinder, in der sie vielleicht ein Instrument spielen, immer knapper wird.
Gekürzt wird auch in anderen Bereichen: Musikverlage benötigen häufig Fördermittel, um kritische Editionen, Gesamtwerke oder zeitgenössische Kompositionen zu verlegen. Wie ist hier die Situation?
Scheuch-Vötterle: Um eines klarzustellen: Bei der zeitgenössischen Musik erfahren die Verlage keinerlei Förderung von außen. Es ist allein das Risiko des Verlegers, wenn er sich in diesem Bereich engagiert. Lediglich die Komponisten werden durch Aufträge oder Stipendien gefördert. Dagegen wird die Herausgabe kritischer Editionen über die Institute, die sich mit den jeweiligen Komponisten beschäftigen, mit öffentlichen Mitteln gefördert. Aber auch diese Einrichtungen haben nicht mehr die finanziellen Möglichkeiten, die sie früher hatten.
Mit welchen weiteren Problemen haben Musikverlage heute zu kämpfen?
Scheuch-Vötterle: Ein wichtiges Standbein unseres Verlags ist neben dem Papiergeschäft der Verleih von Notenmaterial beispielsweise an Orchester. In diesem Bereich trifft uns natürlich die Kürzung öffentlicher Mittel für diese Klangkörper oder die Abschaffung ganzer Orchester. Gerade bei der zeitgenössischen Musik spüren wir dies deutlich: Wenn ein Opernhaus früher bis zu zehn Neuinszenierungen pro Saison ankündigte, sind es heute oft nur noch vier oder fünf. Und dann fällt meistens die zeitgenössische Oper aus dem Programm heraus. Und der Verleih dieses teuren Materials ist für uns meistens die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen.
Der Musikalienhandel steckt seit langem in der Krise. Wie hart sind die Verlage von dieser Entwicklung betroffen?
Scheuch-Vötterle: Die Entwicklung ist zwar nicht erfreulich, aber auch im Musikeinzelhandel gibt es immer wieder Neugründungen. Zudem nehmen immer mehr Kunden die Möglichkeit wahr, über das Internet Noten zu bestellen. Musiker werden aber, da bin ich sicher, immer auch den Weg ins Fachgeschäft suchen, um sich dort beraten zu lassen und sich die Noten und die verschiedenen Ausgaben anzuschauen.
Viele Buchhändler versuchen den Notenverkauf als weiteres Standbein auszubauen. Ein sinnvoller Ansatz?
Scheuch-Vötterle: Es wäre auf jeden Fall sinnvoll, wenn Noten und Musikbücher den Weg in den Buchhandel finden. Viele Sortimenter schrecken vor dem Verkauf aber noch zurück. Trotz der unterschiedlichen Vertriebswege schließen sich die beiden Segmente aber nicht aus. Barsortimente wie KNV oder Umbreit haben hier ja auch schon einiges zu bieten.
Interview: Eckart Baier