Comeback des Messerschnitts

13. März 2008
Redaktion Börsenblatt
Phantasie kann alles: “ ‘Wir könnten eine Runde fliegen’, sagte das Haus.“ So beginnt die wundersame Geschichte über das große Vielleicht, über die Möglichkeiten all dessen, was in uns steckt, und den Zauber, der in den Dingen wohnt.
Unbelebte, statische Gegenstände, ein Haus, ein Baum, ein Felsen, ein Turm, wollen sich über die Erdschwere erheben, probieren, versuchen, mühen sich ab, aber: ”‘Also, bisher hat mich noch keiner von euch überzeugt‘, sagte die Katze, die ihnen zusah.” Zwei kleine Hunde schließlich packt es, sie wollen fliegen und drehen entschlossen ihre Runden in der Luft – und dass ein Scherenschnitt, ein Messerschnitt so luftig leicht und expressiv zugleich daherkommt, ist eine gewaltige künstlerische Leistung. Wann zuletzt, seit Lotte Reinigers Zeiten, ist ein echter Papierschnitt (keine Tuschezeichnungen mit Schnittcharakter, wohlgemerkt) im Bilderbuch so geglückt? Hier wird (naturgemäß) mit Symmetrien, Achsen, Dopplungen gearbeitet, mit Stegen, die Labyrinthe zum Sehen ermöglichen, Augen, Gesichter, Figuren, die da sein mögen, aber nicht müssen – wirklich sicher ist sich der Betrachter nie. Und das ist das Herrliche an Kühns Schnitten: Dass er nie eindeutig ist, dass er den Blicken des Betrachters genug Spielraum zum Sehen, Erkennen, Interpretieren lässt, so dass Kinder die Geschichte auf jeder Seite munter fortschreiben, mit ihren eigenen Worten. Sowohl Janischs Text als auch Kühns Bilder sind dabei höchst atmosphärisch und erzeugen ein überdeutliches Gefühl in uns: Fliegen, das Ungewohnte wagen, macht Spaß, jede Menge. Stefan Hauck Heinz Janisch / Joseph Kühn: »Fliegende Hunde«. M.E.L. Kunsthandel, Wien 2007, 46 S., 29 Euro Sonderausgabe mit einem Faltschnitt von Joseph Kühn, nummeriert und signiert: 56 Euro