Meinung

Die Herrschaft der Ökonomie

13. März 2008
Redaktion Börsenblatt
"Messen sind Erfindungen des Handels, um Waren feilzubieten, damit sie gekauft werden". Auch auf der Leipziger Buchmesse geht es letztlich ums Geldverdienen. Meint Jochen Jung.
Neunzehnhundertachtundsechzig – ich schreibe das jetzt mal in Buchstaben, damit man es nicht sofort erkennt und gleich weiterblättert. Denn auch wenn der Ruf der Achtundsechziger schon lange nicht mehr der beste ist und hochgeachtete Autoren wie Götz Aly gerade alles unternommen haben, ihn zum schlechtesten zu machen, so zeigt sich doch nicht zuletzt auch daran, dass es sich da um etwas Ernstzunehmendes handelte, um es mal zurückhaltend zu formulieren. Dass damals viel Träumerei, ja Illusion mit im Spiel war und fast ebenso viel schlechtes Benehmen, ist wohl ebenso gewiss wie die Tatsache, dass sich seither der Blick geschärft hat für einige Dinge, die man bis dahin aus der Katastrophe des sogenannten Dritten Reiches nicht hatte lernen wollen. Dass einfach alles immer auch politisch ist, wie damals ständig betont wurde, war vielleicht doch etwas übertrieben, dass aber mehr, als man gemeinhin so denkt, »ökonomisch bedingt« ist (so die damalige Formel), also vom Geld abhängt – die Aufmerksamkeit dafür, die manchen heute so selbstverständlich erscheint, schärfte man sehr wohl. Man begriff dadurch nicht nur, dass das Durchhaltevermögen der Nationalsozialisten sehr viel mit dem sogenannten Großkapital zu tun hatte, sondern später zum Beispiel auch, warum bestimmte Kartoffelsorten einfach vom Markt verschwinden, obwohl viele sie gern weiterhin auf dem Teller hätten. Warum dieser kleine Rückblick? Nun, nicht nur Götz Aly hat sich zu diesem Thema geäußert: dass ‘68 jetzt vierzig Jahre her ist, schlägt sich ja überall nieder, in Veranstaltungskalendern, Fernsehprogrammen und natürlich in den Verlagsvorschauen. Denn auch das Erinnern unter­liegt ja oft genug den Marktgesetzen: je besser sich etwas verkaufen lässt, umso dringlicher wird daran erinnert. Aber doch und gerade vor dem Hauptfrühjahresereignis der Buchbranche, der Messe in Leipzig, ist es geeignet, sich wieder mal eine Selbstverständlichkeit ins Gedächtnis zu rufen: Messen sind Erfindungen des Handels, um Waren feilzubieten, damit sie gekauft werden. So einfach ist das. Und wenn die phänomenale Lese- oder richtiger: Zuhörlust der Leipziger auch dieses Jahr wieder zu fast 1000 Veranstaltungen führen wird, dann nicht nur, um der Eitelkeit der Autoren und dem Wissensdurst der Leipziger Genüge zu tun, sondern um sie zum Kaufen zu animieren – auf dass die Signale in die ganze Republik funken. Dass Bücher auch Ware sind, wird ja immer wieder betont, gern mit dem Hinweis, dass es denn doch eine Ware besonderer Art sei. Ebenso notorisch ist die Einstellung der Buchverkäufer gegenüber den Schöngeistern und umgekehrt: Was für den einen Umsatzbringer oder -killer sind, das sind für den andern Manifestationen der Kunst respektive Schrott. Tatsächlich sind der Geist und das Geld unversöhnlich. Aber eben das ist ja der Motor, der für die Spannung sorgt, aus der heraus die Buchwelt ihren Antrieb bezieht. Dass da etwas zusammengebracht werden muss, was nicht zusammengebracht werden will, das ist die Herausforderung. Das war schon vor 40 Jahren so und wird auch in 400 Jahren (falls dann noch jemand liest) nicht anders geworden sein.