Urheberrecht

Der Fall Aufbau

3. April 2008
Redaktion Börsenblatt
Warum das Urteil des Bundesgerichtshofs die Berliner Aufbau-Verlagsgruppe vor ein urheberrechtliches Dilemma stellt. Ein Interview mit Gernot Schulze, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in München.
Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz kann den Aufbau-Verlag nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Urheberrechtsverletzungen belangen. Wie kommt es zu einer solch bizarren Situation? Schulze: Man könnte das so zusammenfassen: 1991 hat seine BFL-Beteiligungsgesellschaft gemeinsam mit weiteren Investoren von der Treuhand die Aufbau-Verlag GmbH gekauft, die aber, wie jetzt höchstrichterlich bestätigt ist, gar nicht der Rechtsnachfolger des alten DDR-Verlags ist. Dann hat er 1995, als ihm Zweifel kamen, den Verlag als Privatmann erworben, diesmal vom rechtmäßigen Eigentümer, dem Kulturbund. Und damit kann er nun Ansprüche gegen seinen "eigenen" Verlag geltend machen - mit der rechten Hand also gewissermaßen gegen seine linke Hand vorgehen. Wie lässt sich das Dilemma lösen? Schulze: Als Privatperson ist er ja Inhaber sämtlicher Rechte. Deshalb könnte er alle Lizenzverträge, die in der Zwischenzeit rechtsunwirksam geschlossen wurden, nachträglich genehmigen, den Vorstoß damit „heilen“, wie es juristisch heißt. Aber es ist natürlich auch sein gutes Recht, dass er das nicht privatissime et gratis macht, sondern die Aufwendungen der Investoren in den "falschen" Verlag von der Treuhand wiederhaben will. Denn die hat den Investoren schließlich etwas verkauft, was ihr nicht gehörte und was sie daher nicht übertragen konnte. Und er kann Schadenersatz für die unzulässigen Verwertungen und Lizenzierungen geltend machen, den sich der Verlag dann bei der Treuhand zurückholen könnte. Das ist natürlich heikel, denn kein Lizenzpartner dürfte sich, bei allem Verständnis für die Lage von Aufbau, darüber freuen, wenn er in solche urheberrechtlichen Verfahren hineingezogen wird. Aber Lunkewitz hat den Verlag doch in bestem Glauben von der Treuhand gekauft. Und die Lizenzpartner haben auch in bestem Glauben die Verträge unterschrieben… Schulze:Sicher, aber – anders als bei Sachgütern – gibt es keinen gutgläubigen Erwerb von Rechten. Wer einen Rechtevertrag abschließt, kann sich vom Verkäufer sogar eine Garantie geben lassen, dass jener im Besitz der Rechte ist. Zeigt sich hinterher, dass sie doch einem Dritten gehören, wird es dem Käufer nichts nützen. Meines Wissens gab es sogar schon Fälle von Unterschriftenfälschung, bei denen der Gutglaubensschutz nicht gegriffen hat. Das hat mitunter harte Konsequenzen, weil ja an bestimmten Rechten, etwa beim Film, eine lange Kette weiterer Lizenzverträge und Nutzungen hängt. Da kommen ordentliche Summen zusammen. Lizenzpartner zu sein ist also generell eine riskante Sache… Schulze:Das kann so sein, zumal Rechte ja auch von einem Lizenznehmer zum anderen wandern und eine ganze Geschichte erleben können. Jeder garantiert seinem Vertragspartner, dass alles in Ordnung ist. Aber wenn sich hinterher herausstellt, dass es eine Rechtslücke gibt, klappt das Ganze wie ein Kartenhaus zusammen. Kennen Sie andere Fälle aus dem Verlagswesen, die so spektakulär sind wie der Fall Aufbau? Schulze: Nein, aber es gibt sicher noch Fälle aus anderen Bereichen, bei denen ein höherer Schaden entstanden ist. Denken Sie nur an Patentrechte, da sind ganz andere Summen im Spiel. Solche Streitfälle gibt es immer mal wieder. Beispielsweise war bei den Bauhaus-Möbeln unklar, wer die Rechte hält – das Bauhaus in Dessau oder die Erben der Künstler. Einige Fälle können auch nie ganz geklärt werden und bleiben deshalb eine Zeitbombe. Insofern hat Herr Lunkewitz jetzt den Vorteil der Rechtsklarheit. Wie stehen seine Chancen, den Schadenersatz einzuklagen? Schulze: Wenn er vor Gericht geht, hat er das Urheberrecht ganz klar auf seiner Seite. Es geht in diesem Fall auch nicht nur um Schadenersatz-, sondern auch um Unterlassungsansprüche. Wenn noch 5000 Bücher auf Lager sind, kann der Rechteinhaber verlangen, dass sie eingestampft werden. Bei Filmen kann er die Wiederholung untersagen. Aber natürlich muss man in diesem besonderen Fall im Auge behalten, dass der Verleger gleichzeitig als Privatmann Inhaber der Rechte ist. Insofern hat er auch eine gewisse Pflicht, den Schaden zu begrenzen. Und er will den Verlag ja erhalten, nicht gefährden. Von daher versteht sich das von selbst. Genauso verständlich ist allerdings, dass er die Millionen, die ihn der Rattenschwanz von Prozessen in den vergangenen Jahren gekostet hat, von der Treuhand zurückhaben will. Mehr zum Thema Aufbau und ein Gespräch mit Verleger Bernd F. Lunkewitz in der aktuellen Printausgabe des Börsenblatts