Kinder- und Jugendliteratur

»Wer Proust rezensiert, rezensiert nicht Cornelia Funke«

17. April 2008
Redaktion Börsenblatt
Wie tragen Fernsehen und Hörfunk zur Leseförderung bei? Mit dieser Frage befasst sich ein Artikel im aktuellen BÖRSENBLATT. boersenblatt.net befragt dazu Michael Schmitt von der Redaktion Kulturzeit bei 3sat.
Erhält das Kinder- und Jugendbuch genug TV-Sendezeit? Schmitt: Im Fernsehfeuilleton steht Kinderliteratur in ständiger Konkurrenz mit allen anderen Themen: Funke konkurriert also mit der Museumsinsel ebenso wie mit politischen Ereignissen, die für die Kulturzeit relevant sind. Im Zweifelsfall verliert die Kinderliteratur gegen tagesaktuelle Themen. Tendenziell ist Kinderliteratur in diesem Umfeld immer noch etwas, das leicht abschätzig betrachtet wird. Da spielt der pädagogische Impetus und das Gefühl, das Kinderbuch sei eine Vorstufe zum Literarischen eine negative Rolle. Ist das Fernsehen nicht ein ideales Medium zur Leseförderung? Schmitt: All die Leseförderungsaktionen, die das Lesen vor allem als soziale Fähigkeit sehen, haben nicht dazu beigetragen, dass Kinderliteratur literarischer wird. Es gibt die Konkurrenz der Themen. Die Sendeplätze, die zur Verfügung stehen sind begrenzt. Und es gibt - mit wenigen Ausnahmen - die Trennung der Welten im Feuilleton: Wer Proust rezensiert, rezensiert nicht Funke. Ist das ein unveränderbarer Zustand? Schmitt: In den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich die Kinder- und Jugendliteratur entwickelt. Stichwort All-Age. Auch was die Umschläge betrifft. Ohne dass es peinlich ist, kann man sich heute als Erwachsener mit Kinderbüchern auf ein Parkbank setzen. Eine Gratwanderung ist möglich zwischen den zwei so getrennten Welten. Welche Strategien gibt es, um der Kinder- und Jugendliteratur mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen? Schmitt: Gäbe es eine Ausschaltquote bei den Kinderbuchtipps innerhalb der Kulturzeit, dann wären die Kinderbuchtipps längst verschwunden. Das Interesse dafür ist konstant. Und wir suchen ständig nach Möglichkeiten. Auf Buchmessen beispielsweise führen wir Gespräche mit Kinder- und Jugendbuchautoren, die dann auch gesendet werden. Das sind kleine Einfalltore, die wir immer wieder zu nutzen versuchen. Machen die neuen Digitalsender Hoffnung auf Besserung? Schmitt: Durch die Digitalsender und das Internetfernsehen erhöht sich das Potential auch für die Präsentation von Kinder- und Jugendliteratur. Aber um professionelle Buchtipps herzustellen muss man investieren. Eine normaler Magazinfilm kostet bei uns in der Herstellung 6.000 Euro. Auch wenn bei Pur oder Logo Bilderbücher animiert vorgestellt werden, sieht es gut aus und ist überzeugend. Ich sehe jedoch keine Blüte der Kinder- und Jugendliteratur im TV. Unabhängig davon wie das Fernsehen sich in den nächsten Jahren auffächert.