Dammer Buchhandlung lässt Niesschutz bemalen

"Einige Kunden kommen nun sogar zweimal am Tag"

13. Mai 2020
von Börsenblatt
"Wie bekommen wir wieder mehr Kunden-Nähe zurück in unseren Buchladen?" − trotz Corona-Hygienemaßnahmen, fragte sich das Team der Buchhandlung im Alten Rathaus in Damme. Dann die zündende Idee: Kunden können die Niesschutzwand aus Plexiglas bemalen und beschriften. Die Fotos der Tagesausbeute sind seither ein Renner auf den Social-Media-Kanälen der Buchhandlung.

Annegret Rinklake, Inhaberin der Buchhandlung im Alten Rathaus, beschreibt hier selbst Idee und Umsetzung:

"Maske aufsetzen, Hände desinfizieren, Abstand halten − all das müssen unsere Kunden beachten, wenn sie in Corona-Zeiten bei uns in der Buchhandlung im Alten Rathaus stöbern und schmökern wollen. Und nicht nur das, da kommt ja auch noch der Spuckschutz im Kassenbereich: eine Distanz-Scheibe aus Glas! Sie schirmt die Verkaufsfläche ab und obwohl durchsichtig, wird doch glasklar signalisiert: auch hier darf sich niemand zu nahekommen! Alles ganz schön unpersönlich, was uns das Virus da beim Thema "Buy Local" eingebrockt hat. Dabei ist doch gerade die physische Nähe und das Persönliche, das Sich-von Mensch-zu-Mensch-um-den-Kunden-Kümmern, eine unserer entscheidenden Stärken gegenüber den anonymen Daten-Kraken Amazon & Co.

Wie bekommen wir wieder mehr Kunden-Nähe, mehr Schmöker-Atmosphäre, mehr "Normalität" zurück in unseren Buchladen? Da hat uns die besonders langweilige Trennscheibe animiert: wie wäre es eigentlich, wenn wir ... das gläserne Ding mit Buchtiteln bekleben ... oder mit Bestseller-Listen ... oder "Danke, dass Sie da sind" oder "Wir wünschen Ihnen" ...

Die zündende Idee

Schon nicht schlecht, aber noch nicht so richtig gut. Und dann kam uns die zündende Idee: wir starten eine Kunden-Aktion! Sollen doch unsere Kunden die Scheibe bemalen, ihre Gedanken, Verse oder Sprüche einfach darauf schreiben. Kurzum: die Scheibe, die uns trennt, soll uns von nun an verbinden, einander wieder näherbringen.

Stifte liegen bereit

Seitdem liegen Stifte in allen Farben parat und jeder verkaufsoffene Tag steht unter einem besonderen Motto. Und jeder Kunde, ob groß oder klein, darf etwas auf die Scheibe schreiben oder malen. Von Lieblings-Büchern, Lieblings-Orten oder Lieblings-Tieren über den ersten Sitznachbarn der ersten Schulklasse bis hin zum Lieblingsgruß reicht das Themen-Angebot. Vom Lieblings-Hobby über die Lieblings-Lese-Ecke bis zum Motiv, das als Kind am liebsten gemalt wurde.

Jeden Tag ein neues Motto

Alles kommt auf die Scheibe. Sie wird zu einer echten Kommunikations-Plattform. Und wenn dann nachmittags die Sonne durch das Glas scheint, spiegelt sich die Kunden-Kunst als Schattenriss auf dem Kassentresen. Jeden Tag nach Geschäftsschluss fotografieren wir unsere Glas-Poesie und stellen sie als Foto-Galerie in Facebook und Instagram ein. Dann wird die Scheibe gewischt, um Platz für das Motto des neuen Tages zu schaffen. Die Resonanz unserer Aktion ist beachtlich, die Click-Zahlen werden immer größer. Aber auch vor Ort in unserer Buchhandlung spüren wir den immensen Zuspruch. Wir wurden von unseren Kunden schon gefragt, ob wir für die gesamte Woche unser Trennscheiben-Motto irgendwo aufschreiben könnten. Einige von ihnen kommen nun sogar zweimal am Tag zu uns, nur um nachzuschauen, was denn so auf der Scheibe steht.

Scheibchenweise Alltagspoesie trotz Corona… unsere Buchhandlung macht beim Einzelhandel vor Ort Schule. Der Friseur zum Beispiel möchte so eine Scheibe seinen Kunden nun auch anbieten."