Preisbindung

"Kurzsichtig und böswillig"

24. Juli 2015
Redaktion Börsenblatt
Im Zürcher "Tages-Anzeiger“ vom 26. April ist im Wirtschaftsteil ein Artikel über die Auswirkungen der abgeschafften Buchpreisbindung in der Schweiz erschienen, der beim Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) heftige Reaktionen hervorgerufen hat. In dem Artikel werde behauptet, die tatsächlich eingetretenen Preissteigerungen seien allein dem starken Euro geschuldet. Hier die Reaktion des SBVV im Wortlaut:
"Jetzt werden Bücher billiger!“ So jubelten die Gegner einer Buchpreisbindung, und das stellte auch der Bundesrat in Aussicht, als er vor einem Jahr, am 2. Mai 2007, feste Ladenpreise für Bücher verbot. Als tags darauf die ersten Werbeinserate das grosse Preispurzeln ankündigten, schien sich die Behauptung zu bestätigen. Heute wissen wir, dass sie falsch war: Die Konsumenten müssen für Bücher tiefer in die Tasche greifen. Denn abgesehen von wenigen Bestsellern sind die meisten Titel teurer geworden. Verständlich, dass diese Entwicklung ungern eingestanden wird von jenen, die jahrelang den Aldi-Effekt herbeisehnten und die im freien Spiel des Marktes nur eine einzige Auswirkung – diejenige auf den Preis – erkennen können. So soll nun an der faktischen Verteuerung bloss der starke Euro Schuld sein (Tages-Anzeiger vom 26. April 2008). Doch wer die Entwicklungen in Regionen und Ländern, welche die Buchpreisbindung schon früher aufgehoben haben, verfolgt, könnte es besser wissen. In der West-schweiz, wo seit den 90er-Jahren keine festen Preise mehr gelten, sind die Bücher bis zu 40 Prozent teurer als im benachbarten Frankreich, das feste Buchpreise gesetzlich verankert hat. Und in Grossbri-tannien sind die Bücher im Vergleich zu andern Konsumprodukten in den letzten Jahren sogar über-durchschnittlich gestiegen – im Gegensatz zu Deutschland, wo die Buchpreise ebenfalls gebunden sind. Ausserdem, so geht die Botschaft der Preisbindungsgegner weiter, seien ja noch kaum Buchhandlungen eingegangen. Diese Feststellung ist, wenn auch nur aus Kurzsichtigkeit, zynisch. Buchhandlungen sterben des Preiswettkampfs wegen nicht von heute auf morgen, sondern schleichend. Dass dieser Prozess länger dauert als ein Jahr, macht ihn nicht weniger absehbar. Wer das Buchhandelssterben bedauerlich, aber notwendig findet, der möge bitte auch dafür einstehen, dass in nächster Instanz die heimischen Verlage in Gefahr sind, denen Präsentationsfläche für ihre Bücher verloren geht, und der möge auch gut finden, dass die Autoren zu den Verlierern dieses Preisdominos zählen. Und der soll schliesslich auch billigend in Kauf nehmen, dass die Öffentlichkeit in erster Linie mit Kommerzprodukten versorgt wird – in einem Bereich, der zentral ist für die Bildung, die Ausbildung und den Wissenshorizont unserer Gesell-schaft. Diese Zusammenhänge geraten für gewöhnlich den Predigern freier Preise aus dem Blick – der Praxistest ist eben komplexer als das Wirtschaftshandbuch, und ein Jahr für die Verdeutlichung der Konse-quenzen ist zu kurz. Die gute Konjunktur hat dem gesamten Detailhandel gute Geschäfte beschert, und die Schweiz profitiert vom Inseldasein, stammen doch 90 Prozent der in der Schweiz verkauften Bücher aus Deutschland – all das verführt dazu, die Oberfläche für die ganze Sache zu halten. Die Befürworter einer Preisbindung fordern keine Subventionen und keine Almosen. Wir wollen ein freies Unternehmertum bewahren, das aufgrund der kulturellen Sonderstellung seines Produkts, des Buches, einzig eine Schutzregelung für sich reklamiert – weil sie sich über Jahrzehnte bewährt hat, weil sie nie-mandem schadet und weil sie auch dem Konsumenten in Form preisgünstiger Angebote zugute kommt. Das widerspricht zwar dem Glaubensbekenntnis des absolut freien Marktes. Aber Glaubensbekenntnisse waren noch immer dann am besten, wenn sie Unterschiede zuliessen – und nicht dann, wenn sie Gleich-schaltung forderten. Im August wird die Kommission für Wirtschaft und Abgaben WAK über ein Preisbindungsgesetz für Bü-cher beraten. Wir hoffen, dass sie im Sinn des Kulturguts Buch, aber auch im Sinn der Konsumenten entscheiden wird: für eine langfristige, kostengünstige Sicherung eines unserer wichtigsten Erzeugnisse. Und dann werden die Bücher auch wieder billiger. Selbst mit einem starken Euro. Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV Dani Landolf, Geschäftsführer Dirk Vaihinger, Mitglied Zentralvorstand sowie Verlagsleiter Nagel & Kimche, Zürich