Wie rasant sich heute das Publizieren durch den Einfluss des Internets verändert, darüber gaben in diesem Jahr die Referate und Workshops des Forums ganz besonderen Anschauungsunterricht. Ralf Szymanski von Directmedia Publishing wollte zwar die Feststellung "In Zukunft alles kostenlos noch mit einem Fragezeichen versehen wissen, aber die freie Nutzung von Inhalten im Internet ist mit Wikipedia, Google oder der Open-Access-Bewegung im Wissenschaftsbereich längst Realität.
Auch sein Unternehmen, das in den vergangenen zehn Jahren die "größte deutschsprachige Volltextbibliothek digital auf CD-ROM zusammengestellt habe, trägt dem Trend Rechnung und bietet seine Inhalte über eine neue Internet-Plattform nun zur kostenfreien Nutzung an. Wer bezahlt und wo für den Verlag das Kassenhäuschen stehen wird, soll mittel- bis langfristig gelöst werden. Aber kein Verlag könne sich dem Trend entziehen, ist Szymanski überzeugt. Man müsse den Claim abstecken bevor andere es tun und Werbeanbieter und andere Partner für das Produkt gewinnen.
Ähnlich wird man bei Brockhaus denken. Auch hier sollte bekanntlich in diesen Tagen die gesamte Brockhaus Enzyklopädie kostenfrei und werbefinanziert bereits online gehen. Beim Forum war man deshalb gespannt, Hintergründe zur Entscheidung aus dem Verlag selbst zu erfahren. Doch die Erwartungen ließen sich im Augenblick offenbar noch nicht erfüllen. Das Thema "Brockhaus goes online jedenfalls wurde kurzfristig vom Verlag von der Tagesordnung des Forums genommen. Der Strategiewechsel scheint komplexer zu sein und mehr Zeit zu beanspruchen, als noch vor wenigen Wochen erwartet.
Aber nicht nur die kostenlose Online-Nutzung war Thema des ersten Kongresstages. Beim international führenden Fachverlag Kluwer Niederlande, spezialisiert auf juristische Programme, läuft gegenwärtig ein Versuch zum kostenpflichtigen digitalen Vertrieb von elektronischen Lehrbüchern für Studenten - der E-Book-Shop. Darüber berichtete der deutsche Verlagsdienstleisters juni.com. Das Modell ist besonders nutzerfreundlich. Angeboten werden alle Titel in einer Version mit Drucklizenzen sowie einer preislich günstigeren Fassung ohne Druckrechte. Der Kunde stellt über den Kauf im E-Book-Shop seine persönliche Online-Bibliothek zusammen und hat rund um die Uhr Zugriff über PC wie Lesegerät oder Handy. Technisch ist heute vieles möglich, die Verlage müssen nur das für sie richtige Geschäftsmodell entwickeln und anwenden, hieß es von Seiten der Technologiefachleute.
Dabei folgt der akademische Lehrbuchmarkt anderen Gesetzen als der Consumermarkt. "Studenten nutzen in besonderer Weise elektronische Informationen, deshalb verändern wir unsere Verlagsstrategie und bieten Online-Produkte an, die das traditionelle Lehrbuchprogramm ergänzen, erläuterte Verleger Frans Wildenborg. Diese gibt es in verschiedenen Formaten, etwa als PDF-Version quasi 1:1 zum gedruckten Buch, aber auch mit zusätzlichen Features wie einer Vorlesefunktion. "Unsere Lehrbuch-Autoren werden zusätzlich zur PDF-Datei auch Audio- und Video-Lehrmaterial beifügen und so das Produkt mit einem Mehrwert ausstatten. Kluwer ist mit seinem E-Book-Shop zunächst in den Niederlanden in die Offensive gegangen und erwartet, dass weitere Verlage des Konzerns nun mitziehen. Wildenborg: "Wir spüren alle, dass der Trend zur Online-Nutzung sehr stark ist und schnelles Reagieren bei den Verlagen erforderlich wird. Ich denke, wir können mit unseren Erfahrungen andere inspirieren. Die Lösungen muss jeder für sich selbst finden.
Auch am zweiten Kongresstag wird der internationale Erfahrungsaustausch weiter im Zentrum stehen. Erwartet werden u.a. Beiträge zum Thema "Eine neue Welt gewinnen aus der Sicht der Unternehmen Elsevier, Holtzbrinck und Arvato Systems. Arnoud de Kemp (digiprimo) wird zudem einen Ausblick auf das elektronische Publizieren der kommenden Jahre wagen.
Rund 150 Hersteller, Dienstleister, Zulieferer und Technologiefachleute nehmen in diesem Jahr am zweitägigen Forum Herstellung teil.
DOI: 10.1391/BBL-Online.20080509-Herstellungs-Konferenz