Holen Sie sich selbst die Konkurrenz ins Haus?
Humann: Es ist viel angenehmer, die Konkurrenz im eigenen Hause zu haben als woanders. Seit einem Jahr haben wir ja auch Nelson als Mitbewerber im Minibuchmarkt bei uns, also da haben wir schon Übung. Aber Chicken House hat ein ganz anderes Profil – seit Jahren schon prüfen wir immer wieder auch Chicken House-Titel und merken: Die Bücher sind gut, aber sie passen nicht zu uns.
Wie werden Sie sich voneinander abgrenzen?
Humann: Chicken House hat zum Beispiel kaum All Age-Titel, sondern seinen Schwerpunkt auf Bücher für Acht- bis Zwölfjährige gesetzt, und darunter gibt es viele Titel, die sich bewusst an Jungs richten. Barry Cunningham hat da einen guten Riecher, er entdeckt unheimlich viel.
Unter anderen ja auch Joanne K. Rowling, oder Cornelia Funke für den englischsprachigen Markt. Wie sind Sie auf Cunningham gestoßen?
Humann: Ich kenne Cunningham schon sehr lange, schon als er das Kinderbuchprogramm für Bloomsbury aufgebaut hat. Davor hatte er für Stiff gearbeitet, das führende Punk-Label der frühen 1970er Jahre, und war Marketingleiter bei Penguin. Er ist extrem vielseitig und neugierig – es hat einen großen Reiz, mit so jemandem zusammenzuarbeiten. Und als wir uns über neue Möglichkeiten für unsere Verlage unterhielten, haben wir uns gesagt: Warum eigentlich nicht?
Muss es künftig nicht ganz klare Regeln geben, damit man sich nicht über einzelne Autoren streitet? Was wäre zum Beispiel, wenn sowohl Carlsen als auch Chicken House gerade ein Buch zum selben Thema veröffentlichen wollen?
Humann: Dann sollten wir so klug sein, das Buch in einem unserer Programme um ein halbes Jahr zu verschieben. Sicher muss es Absprachen geben zwischen dem neuen Chicken House-Programmverantwortlichen und Barbara König vom Erzählenden Carlsen-Programm und Anne Bender vom Carlsen-Taschenbuch. Ähnliche Titel zu verkaufen macht keinen Sinn, das kann man auch nicht von unseren Vertretern verlangen.
Hat Carlsen mit der Verlagspartnerschaft umgekehrt auch ein Einfallstor in den englischsprachigen Markt?
Humann: Unser Autor Zoran Drvenkar hat ja schon "Tell Me What You See" bei Chicken House veröffentlicht – sicher können auch Carlsen-Autoren bei Chicken House erscheinen, warum nicht? Aber das ist kein Automatismus, sondern Cunningham wird sich die Titel genauso gründlich anschauen wie wir das auch tun und dann entscheiden. Wir werden uns jedes Jahr ein bisschen besser kennenlernen.
Und wenn es nicht gut funktioniert?
Humann: Es macht in der Tat nur Sinn, wenn wir miteinander erfolgreich sind – wenn nicht, können wir auch wieder leichter auseinandergehen, da wir keine komplizierten juristischen GmbH-Beteiligungen oder ähnliches haben. Aber ich bin sehr optimistisch, dass es klappt.