Umzug Suhrkamp Verlag

Neue Nachbarschaft

9. Februar 2009
Redaktion Börsenblatt
Suhrkamp zieht, so ist es der erklärte Wille des Berliner Kulturstaatsekretärs André Schmitz, nach Berlin-Mitte und zwar ins geschichtsträchtige Nicolaihaus. Einen Verlag wie Suhrkamp in die Berliner-Mitte versetzen zu wollen, erscheint gerade aus Berliner Sicht sinnvoll. Eine Ortsbesichtigung von Jörg Sundermeier.
Das denkmalgeschützte Gebäude, eines der ältesten erhaltenen Wohnhäuser Berlins und als Wohnhaus des Schriftstellers, Philosophen und nicht zuletzt Verlegers Friedrich Nicolai im späten 18. Jahrhundert das intellektuelle Zentrum der preußischen Hauptstadt, gehört zur Zeit der Stiftung Stadtmuseum, ist aber bereits seit einigen Jahren leerstehend. Die Brüderstraße, in der das Gebäude steht, liegt unweit des heutigen Außenministeriums, zwischen dem ehemaligen Staatsratsgebäude und der Gertraudenstraße, sie ist eingefasst durch große, etwas verwahrloste Plattenbaublöcke, die größtenteils bewohnt sind. Rechts neben der zukünftigen Suhrkamp-Residenz liegt die ansehnliche Vertretung des Freistaates Sachsen, links daneben findet sich ein Plattenbau, gegenüber das seit Jahrzehnten verwaiste ehemalige Kaufhaus Kontex, auch dieses ein schöner, allerdings völlig maroder Altbau. Dort, wie auch am ein paar Meter entfernten Petriplatz werden auch dann noch die Presslufthammer zu hören sein, wenn das Nicolaihaus, das ja schließlich seit Jahren „wegen Baumaßnahmen“ geschlossen ist, saniert sein wird. Das Nicolaihaus selbst, in dessen vergilben Fenstern in diesen Tagen noch die Stellwände der früheren Ausstellungen zur Berliner Theatergeschichte zu sehen sind, verfügt über einen pittoresken Innenhof. Das Probelm ist die Infrastruktur. Schon für einen ordentlichen Kaffee zum Mitnehmen muss man, für Berliner Verhältnisse, recht weit laufen, auch der Kiosk findet sich nicht unmittelbar ums Eck, zu einem anständigen Café schließlich sollte man rund zwanzig Minuten Fußweg zum Gendarmenmarkt einplanen, außer man will sich unbedingt in das touristisch überlaufende Nikolaiviertel hineinbegeben, in dem aber nahezu alle Restaurants ein wenig streng nach Sauerkraut und Eisbein riechen. Auch in der Brüderstraße kann es übrigens, wenn die Spree zu wenig Wasser führt, ein bisschen streng riechen. Das alles aber ist nun mal so in Berlin, und nicht jedes Fleckchen in Berlin ist eine Kastanienallee. Für einige Frankfurter wird es vielleicht zunächst anstrengend sein, sich in einem solchen, noch im Umbruch befindlichen Eck, zurechtzufinden. Berlin ist ja nun beileibe (noch) nicht die schicke Großstadt ist, als die es sich verkauft, und gerade darum so attraktiv für Kulturschaffende geworden. Und man darf sich sicher sein, dass, je mehr neue Büros in der Umgebung der Brüderstraße eröffnet werden, desto mehr Gastronomie ihren Weg auch in diese Gegend finden wird. Der Berliner Senat also investiert nicht nur in Suhrkamp, sondern lässt den Verlag zugleich allein durch sein Dortsein praktische Aufbauhilfe leisten. Insofern wird sich der Betrag, den man in den Umzug des Frankfurter Verlags investieren will, wohl recht schnell wieder amortisieren.