E-Book-Reader-Showtime in Las Vegas

8. Januar 2010
Redaktion Börsenblatt
Wer sich im vergangenen Jahr noch über die vielen E-Book-Ankündigungen wunderte, der wird diese Woche eine echte Überraschung erleben. Auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas -  bisher eher weniger im Blickfeld der Buchbranche – wird ein E-Book-Reader nach dem anderen vorgestellt. Ein Teilnehmer des Online-Forums mobileread.com hat noch im vergangenen Jahr eine Liste mit relevanten Ausstellern verfasst – und ist bei der stolzen Anzahl von 64 Firmen angelangt!
http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=66268
http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=66407
http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=66647
http://www.mobileread.com/forums/showthread.php?t=67279

Die wichtigsten Geräte findet sich auch auf boersenblatt.net:

http://www.boersenblatt.net/352459/

Bedeutet dies nun für Verleger, dass Las Vegas neben der Frankfurter Buchmesse zum Pflichttermin wird? Obwohl die Vorstellung beim Blick auf die kalte, graue Winterlandschaft einen gewissen Reiz hat, dürfte die Relevanz der CES für unsere Branche doch eher begrenzt bleiben. Denn der wesentliche Erkenntnisgewinn aus dieser Schwemme an neuen Lesegeräten liegt wohl eher in der Tatsache, dass sich der Hype um E-Books nun langsam (oder vielleicht auch sehr schnell) in eine wirtschaftliche Realität verwandelt.

Selbst Langendorfs Dienst, der bisher recht kontinuierlich an dem realitätsfremd niedrigen E-Book-Anteil von nur 1 % festhielt (die offizielle Statistik-Instanz BISG Book Industry Study Group hat bereits für 2008 (!) einen E-Book-Anteil von 2 % reportet), hat kürzlich eine US-Publikation zitiert, die an einem Bestseller-Beispiel einen E-Book-Anteil von 6 % festmacht.

http://www.dailyfinance.com/story/company-news/it-doesnt-take-many-e-book-sales-to-make-a-kindle-bestseller/19297173/

Diese Zahl entspricht den inoffiziellen Angaben verschiedener US-Kollegen und ist auch konsistent mit der libreka! Prognose eines E-Book-Anteils von 4 bis 5 % in den USA für das Jahr 2009.

Wird das Geschäft mit E-Books durch den sich immer stärker fragmentierenden Markt der Lesegeräte schwieriger? Mit Sicherheit ja, dafür wird es aber wohl auch lukrativer.

Schwieriger wird das Geschäft, insbesondere für Hersteller, weil die Formatfrage komplexer wird. Selbst wenn sich alle Hersteller auf die Standards EPUB und PDF festlegen, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Implementierungen dieser Standards unterschiedlich sein werden. Konkret: ein und dasselbe E-Book kann auf zwei Geräten völlig unterschiedlich aussehen. Setzt der Verlag darüber hinaus noch auf DRM (Digital Rights Management), wird das E-Book möglicherweise auf vielen Geräten überhaupt nicht lesbar sein. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht: Als Analogie sei hier die Lingua Franca des Internet, HTML, genannt. Auch nach 20 Jahren HTML ist die Darstellung auf verschiedenen Browsern noch immer nicht standardisiert.

Lukrativer wird das Geschäft, weil die Vielfalt die Dominanz einzelner E-Book-Anbieter verhindert. Wichtige Player versuchen gerade durch die Kombination von Online-Shop für E-Books mit ihren eigenen Lesegeräten den Kunden ausschließlich auf ihr Angebot festzulegen (Customer lock-in). Je vielfältiger der Markt für Endgeräte, desto vielfältiger wird aller Voraussicht nach auch der Markt für Content. Was im Umkehrschluss wiederum bedeutet, dass Verlage wesentlich weniger in der Abhängigkeit einzelner, großer Händler stehen. Das wird sich direkt auf die Margen auswirken.

Verlage sind also gut beraten, zwar nicht jedem neuen Endgerät hinterherzulaufen, wohl aber den Trend zu einem diversifizierten E-Book-Reader Markt zu verfolgen und dessen Entwicklung zu unterstützen. Das beste Mittel hierzu ist die Unterstützung des Standardformates EPUB (bzw. PDF) sowie der Verzicht auf den technischen Kopierschutz.

Mit besten Grüßen
Ronald Schild