Bei aller euphorischer Diskussion über den neuen Bereich des Buchhandels in den Jahren danach meldete sich aber bei mir immer wieder eine leise Stimme: Das ist ja alles gut und recht, aber ist das im Endeffekt nicht das Gleiche wie meine vielgehörten Kinderkassetten? Von heute auf morgen war man in, wenn man Hörbücher rezipierte – aber warum dieser Rummel um etwas, das wir schon als Kinder gemacht haben? Schließlich war es damals schon eine gewöhnliche Alternative in der Freizeitgestaltung, Hörspiele und auch Lesungen auf Kassette anzuhören. Die Schallplatte mit „Peter und der Wolf“, einem musikalischen Märchen von Sergei Prokofjew, in Vaters Plattenschrank, der normalerweise für Kinder ein absolutes Tabu war, war aber interessanterweise im Gegensatz dazu etwas viel Beeindruckenderes… Als ich vor ein paar Wochen in der Stadtbücherei aber ein Hörbuch, eine Erzählung von Heinrich Böll, auslieh und kurz darauf feststellte, dass im abgegriffenen Pappkarton keine CDs, sondern 3 Kassetten lagen, konnte ich mir mein eigenes Erstaunen nicht absprechen. Die Lesung musste ausfallen, denn leider habe ich in meiner Studentenwohnung kein passendes Abspielgerät mehr. Und nun, auf der von Frau Dr. Rühr organisierten Hörbuch-Tagung wurde darüber diskutiert, ob das Hörbuch im Angesicht des Downloads seinen Körper verliert. Aber welchen Körper denn eigentlich? Hat es denn jemals einen bestimmten Körper besessen? Die Teilnehmenden waren sich schnell einig, dass davon nicht die Rede sein kann. Handelt es sich doch um auditiv vermittelte Inhalte, die bereits oft ihr Trägermedium gewechselt haben, angefangen bei der Phonographischen Walze im 19. Jahrhundert über die Schellackplatte bis hin zur MC und CD – das weitere Glied in dieser Kette stellen wohl Server und Festplatten dar. So wenig Bedeutung der Träger für den Inhalt selbst hat, einmal abgesehen von der Abspieldauer oder der Tonqualität, so sehr prägt er doch uns Rezipienten allein schon in der Wahrnehmung. Das zeigt sich bereits in der Zuordnung von bestimmten Gattungen zu verschiedenen Trägermedien – so werden oft MCs eher mit Hörspielen in Verbindung gebracht als CDs, diese wiederum werden eher als typische Tonträger für Romanlesungen wahrgenommen. Die Frage, was für sie denn eigentlich ein Hörbuch sei, beantworteten bei einer von dem Vortragenden Prof. Dr. Konrad Umlauf initiierten Onlinebefragung von Mitarbeitern öffentlicher Bibliotheken mit der Antwort: Eine Lesung.
An diesem Punkt stellt sich die interessante Frage, was wir dann künftig mit dem Download auditiver Inhalte verbinden. Vielleicht führt er zu einer Auflösung dieser eigentlich unlogischen Differenzierung und bezieht künftig alle Gattungen mit ein, nämlich neben der Lesung und dem Hörspiel auch noch das Feature und die Dokumentation, die wir aus wissenschaftlicher Sicht schon heute als etwas unter dem „Hörbuch“ Zusammengehöriges ansehen. Wie sinnvoll der Begriff Hörbuch selbst ist, davon sei einmal abgesehen.
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