Ausschreibungen vor der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand haben zum Ziel, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln. Auch Aufträge über die Lieferung von Schulbüchern zu Eigentum der öffentlichen Hand werden überwiegend im Wege von Ausschreibungen vergeben. Aufträge über dem Schwellenwert von EUR 206.000,00 müssen aufgrund zwingender EU-Vorschriften europaweit ausgeschrieben werden. Aber auch unterhalb des Schwellenwertes sind Ausschreibungen, mindestens beschränkte Ausschreibungen, die Regel. Sinnvoll ist dies nicht, weil sich alle Anbieter an die gebundenen Schulbuchpreise halten müssen. Ein Wettbewerb könnte allenfalls im Bereich der Serviceleistungen stattfinden. Aber auch hier setzt das Gesetz Grenzen. § 7 Absatz 4 BuchPrG erlaubt nur, handelsübliche Nebenleistungen ohne Berechnung anzubieten. Die werden aber regelmäßig von allen Anbietern von Schulbüchern in gleicher Weise erbracht. Zugaben jedweder Art sind verboten. Angebote, die gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoßen, müssen ausgeschlossen werden. Da preisbindungskonforme Angebote zwangsläufig übereinstimmen müssen, entscheidet bei der Auftragsvergabe zumeist das Los. Die Stadt Nürnberg hingegen vertrat die Auffassung, das Losverfahren könne nur ultima ratio sein und auch kleinste wirtschaftliche Vorteile könnten einen Zuschlag rechtfertigen. So erhielten Anbieter bei der Schulbuchausschreibung für das Schuljahr 2009 den Zuschlag für verschiedene Lose, weil sie auf entsprechende Anfrage im Angebotsblatt Lehrerprüfstücke, die gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 3 BuchPrG nicht preisgebunden sind, zu Preisen angeboten hatten, die unter den Kosten lagen, zu denen solche Bücher beschafft werden konnten. Die Stadt berief sich hierbei auf einen Beschluss des OLG München vom 19. Dezember 2007 in einem Nachprüfungsverfahren zu der Ausschreibung der Stadt Nürnberg für die Beschaffung von Schulbüchern für das Jahr 2008. In dieser Entscheidung war die Stadt verpflichtet worden, Leistungsbeschreibungen und Angebotsblatt in verschiedenen Punkten zu ändern. So wurde der Stadt die Abfrage nach der Gewährung von Nachlässen bei Mängelexemplaren und bei Schulbüchern mit aufgehobener Preisbindung untersagt, weil nach den Vorschriften des Vergaberechts dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse aufgebürdet werden dürfe, auf die er keinen Einfluss habe. Zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe könnten die Bieter aber nicht abschätzen, zu welchen Konditionen sie sich die gewünschten Mängelexemplare und Bücher mit aufgehobener Preisbindung beschaffen konnten. Die Nachlassgewährung geschehe deshalb ins Blaue hinein. Gegen die Abfrage nach Nachlässen für Lehrerprüfstücke hatte das Gericht hingegen keine vergaberechtlichen Bedenken. Auf die preisbindungsrechtliche Problematik der Lieferung von Lehrerprüfstücken unter Beschaffungskosten in Verbindung mit preisgebundenen Büchern ging das Gericht wegen der geringen wirtschaftlichen Bedeutung innerhalb der Angebote nicht ein.
Wie sehr das OLG München diese Problematik unterschätzte, zeigte sich sehr bald, als die Stadt Nürnberg bei der darauf folgenden Schulbuchausschreibung für 2009 Anbietern Lose nur deshalb zuschlug, weil diese bei den Lehrerprüfstücken hohe Nachlässe angeboten hatten. Zwar hieß es im Angebotsblatt, dass aufgrund des OLG-Beschlusses Lehrerprüfstücke nicht kostenlos abgegeben werden dürfen, Angebote mit einem Rabatt von 100 % somit zum Ausschluss des Angebotes führen, dass aber alle Rabatte, die unter 100 % liegen, also auch 99 %, zulässig seien. Dies veranlasste die Preisbindungstreuhänder, in einem Musterprozess die preisbindungsrechtliche Unzulässigkeit solcher Angebote zu klären. Sie erhoben gegen einen der Anbieter, der mehr als 25 % Nachlass auf Lehrerprüfstücke angeboten hatte, mit Sicherheit also mehr als der im Schulbuchgeschäft übliche Rabatt, nach erfolgloser Abmahnung Klage beim Landgericht in Wuppertal mit dem Antrag, ihm zu verbieten, Lehrerprüfstücke von Schulbüchern im Rahmen von Koppelungsgeschäften mit preisgebundenen Büchern Letztabnehmern, insbesondere Schulträgern, zu Preise anzubieten und/oder zu verkaufen, die unter den Kosten liegen, zu denen diese Bücher beschafft werden. Das Landgericht gab der Klage statt. Im mittlerweile rechtskräftigen Urteil vom 17. November 2009 stellte das Gericht fest, dass, wenn ein größerer Rabatt gewährt werde als die Handelsspanne betrage, diese Verluste nur durch die teilweise Verwendung der Gewinne aus dem Verkauf der preisgebundenen Bücher ausgeglichen werden könnten und dies im Ergebnis wirtschaftlich darauf hinauslaufe, dass die preisgebundenen Bücher zu einem geringeren als dem gebundenen Ladenpreis verkauft werden. Das sei eine indirekte Aushöhlung der Preisbindung nach § 3 BuchPrG. Das Gericht bezog sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Zeit der Geltung des Sammelreverses vom 21. November 1989. Hiernach gilt die Preisgestaltungsfreiheit bei nicht preisgebundenen Büchern dann nicht mehr, wenn solche Bücher im Rahmen von Koppelungsgeschäften mit preisgebundenen Büchern verkauft werden und Preisgestaltung und Rabattgewährung im Ergebnis für das Koppelungsgeschäft zu einer Unterschreitung der gebundenen Preise für die in die Koppelung einbezogenen preisgebundenen Schulbücher führen. Die Lieferung von preisfreien Büchern unter Beschaffungskosten sei ein solcher Fall (BGH KZR 17/88 WuWE BGH 2615 ff). Das Landgericht Wuppertal ließ auch das Argument des OLG München nicht gelten, die Prüfstücke hätten im Schulbuchgeschäft nur eine geringe Bedeutung: dem Buchpreisbindungssystem, wie es nach dem Buchpreisbindungsgesetz bestehe, sei eine derart quantitative Betrachtungsweise fremd. Jede noch so kleine Unterschreitung der gebundenen Preise sei unzulässig, irgendwelche Toleranzgrenzen seien nicht vorgegeben.
Die Entscheidung ist erfreulich klar und deutlich und wird von allen mit dem Schulbuchgeschäft Befassten zu beachten sein und absurde Vergabeentscheidungen, die nur auf unterschiedlichen Preisangeboten für Lehrerprüfstücke beruhen, verhindern. Die beste Lösung ist natürlich, wie der Fall zeigt, Lehrerprüfstücke aus Ausschreibungen völlig herauszunehmen, weil üblicherweise die Bemusterung von Lehrerprüfstücken durch den Außendienst der Schulbuchverlage erfolgt oder die Lehrer diese Bücher direkt bei den Verlagen bestellen. Ein Bedarf zur Abfrage durch öffentliche Auftraggeber besteht also nicht.