Nachruf auf Jürgen Voerster

"Eine bedeutende Unternehmerpersönlichkeit"

1. Februar 2010
Redaktion Börsenblatt
Zur Stunde wird auf dem Stuttgarter Pragfriedhof der langjährige Geschäftsführer von KNO / KV, Jürgen Voerster, beigesetzt. Er war am 24. Januar verstorben. Verleger Klaus G. Saur hat Voerster gewürdigt:

Mitte Januar erschien aus der Feder von Jürgen Voerster die zweibändige Firmengeschichte des Hauses Koehler & Volckmar mit den heutigen Unternehmungen Koch, Neff & Volckmar (KNV), Koch, Neff & Oetinger Verlagsauslieferung (KNO VA) und Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft (LKG). Nur wenige Tage danach, am 24. Januar, verstarb Jürgen Voerster im 84. Lebensjahr. Geboren 1926 in Leipzig, Ausbildung im damaligen Zentrum des Buchhandels in Leipzig, musste er Anfang der 50er Jahre nach Enteignung der Betriebe mit seiner Familie Leipzig verlassen und ging nach Stuttgart, wo Koehler & Volckmar schon zu Anfang des Jahrhunderts die Firmen Koch, Neff und Oetinger übernommen hatte. In Freiburg studierte er dann Germanistik und Musikwissenschaften.

 

Mit Jürgen Voerster verliert der gesamte Buchhandel eine bedeutende Unternehmerpersönlichkeit, die absolut visionär und pragmatisch die Logistik der Branche entwickelt hat. Fast ein halbes Jahrhundert hinweg hat er in der fünften Generation die erfolgreiche Entwicklung der 1829 gegründeten Familienunternehmen gestaltet und entscheidend weiter geführt. Sein Engagement galt dem Aufbau stabiler und zukunftsfähiger Logistikstrukturen in der gesamten Branche. Die Vernetzung mit Buchhändlern und Verlegern war ihm ein großes Anliegen, er setzte sich für die Bewahrung mittelständischer Buchhandlungen und Verlage ein. Er bewies eine große strategische Ausrichtung, die heute bei der Fortführung in der sechsten Generation weiter geführt wird. Mehr als 2.500 Mitarbeiter sind heute in der Gruppe KNV tätig. Das Unternehmen ist der Marktführer im Buchgroßhandel und hat zusammen als Dienstleister für Verlage das größte Auslieferungsvolumen im deutschsprachigen Raum.

 

Ich erlebte Jürgen Voerster zum ersten Mal 1967, als er auf einer Bertelsmann-Tagung im Quellental auftrat. Es war ein bleibender Eindruck. Seine Formulierkunst, seine Raffinesse, seine physische und psychische Überlegenheit, seine unglaubliche Kompetenz imponierten mir ganz enorm. Ich empfand ihn als Vorbild, dem ich nacheifern wollte, ohne das Vorbild je erreichen zu können.

 

Die absolute Sachkenntnis, verbunden mit einer ungewöhnlichen Hartnäckigkeit und durchaus Penetranz führten die Branche weiter. Dieser außerordentlich erfolgreiche Unternehmer war die eine Seite des Jürgen Voerster. Die andere Seite war: er gründete nach dem Eintritt in die Gesellschafterversammlung des Unternehmens 1966 sein eigenes Antiquariat. Dieses entwickelte sich mit den Spezialgebieten Musik, deutsche Literatur, Theater und Autographen zu einem der führenden Antiquariate weltweit. Die gedruckten Kataloge dieses Hauses und die berühmte Gesamtdatei, die er entwickelte, wurden weltweit anerkannt.

 

Wenn man Jürgen Voerster in seinem Antiquariat besuchen durfte, erlebte man einen anderen Menschen. Er strahlte eine Liebenswürdigkeit und eine Güte aus, die bei Verhandlungen mit dem Hause Koch, Neff kaum so auftauchen konnten. Man erlebte einen der profundesten Buchkenner, der Autographen und Erstausgaben liebevollst vorstellen konnte und der auch hier eine Sachkenntnis entwickelte, die nur bei wenigen Antiquaren in dieser Qualität anzutreffen waren und er war außerordentlich musikalisch. 1971 gab er zum ersten Mal ein Konzert mit einigen Freunden, zu denen er Freunde und Kollegen einlud. Bis 1999 gab es 27 Konzerte, jedes für sich ein großes Erlebnis, das absolut unvergessen war für jeden Teilnehmer.

 

In den letzten Jahren stellte er sich noch der großen Aufgabe, die Geschichte des Hauses zu schreiben. Dies gelang ihm und es bleibt uns eine profunde Buchausgabe, die uns die Geschichte des gesamten Zwischenbuchhandels, des Hauses Koehler & Volckmar und auch eine Art Autobiographie des Jürgen Voerster darstellt. Die gesamte Branche hat ihm unendlich viel zu danken.