Qualität trotz Materialarmut? – eine Zeitung in Ghana

4. Februar 2010
Redaktion Börsenblatt
Die Dritte Welt weist in vielen Bereichen nicht denselben technischen Standard auf wie die entwickelten Industrienationen, unter anderem im Bereich der Medien. So ist es auch im westafrikanischen Ghana zu beobachten. Der in der Hauptstadt Accra ansässige Ghanaian Observer wirkt bescheiden und ärmlich. Im Rahmen eines Journalismuspraktikums konnte ich einen Einblick in die Arbeit der Redaktion gewinnen und wurde dabei mit Missständen konfrontiert, an die ich mich erst mal gewöhnen musste. Ein Erlebnisbericht von Julia Heiserholt.

Vorab einige Informationen zur Presse in Ghana: die Presselandschaft ist sehr bunt, es gibt sieben Tageszeitungen, allen voran der Daily Graphic mit einer Auflage von 150 000. Neben diesem werden noch viele andere Publikationen von politischen Parteien herausgegeben. Die wichtigsten Wochenzeitungen sind Mirror und Chronicle. Aber auch internationale, sowie deutschsprachige Printmedien können (in Hotels und Kiosken) erworben werden.

Der Ghanaian Observer, um den es in diesem Beitrag geht, ist eine 2006 gegründete, regionale, nicht-staatliche Zeitung, die dreimal in der Woche erscheint. Die Themenschwerpunkte liegen auf Politik, Wirtschaft und Sport, es wird aber auch aus den Bereichen Umwelt, Gesundheit, Zeitgeschichte und Popkultur berichtet. Weltnachrichten werden meist von Agenturen bezogen, für Meldungen und Berichte aus dem Landesinneren sind die regionalen Korrespondenten zuständig. Die Zeitung beschäftigt etwa 14 feste Mitarbeiter.

Wie in jeder Zeitung so sind auch beim Ghanaian Observer die Kernaufgaben der Journalisten Recherchieren, Schreiben, Redigieren, Auswählen, Kommentieren und Bewerten. Aufgrund erheblicher technischer Mängel und schlechter Ausstattung wird die redaktionelle Arbeit erschwert, worunter oftmals die materielle Qualität der Zeitung leidet.

 

Herausforderungen für die Redaktionsarbeit: Technische Mängel

Etwas erschrocken war ich zugegebenermaßen schon, als ich das Redaktionsbüro zum ersten Mal betrat. Es ist ungefähr 3 x 6 Meter klein, dunkel und schmutzig. Und auch die Ausstattung des Büros ist defizitär. Es gibt sechs PCs von denen nur drei halbwegs zufriedenstellend funktionieren. Ein einziger PC hat eine Internetverbindung, die aber nur sporadisch vorhanden ist. Alle anderen Computer sind veraltet und wegen verschiedener Defekte nicht nutzbar. Außerdem existiert auch kein gemeinsamer Server, so dass die Dateien mittels Speichermedien, meist USB-Sticks weitergegeben werden müssen. Dadurch übertragen sich die Viren der Computer auch auf Speicher- und Übertragungsmedien. Telefon und Faxgerät sind ebenfalls nur eingeschränkt funktionstüchtig. Auch ein Drucker steht nicht zu Verfügung, weshalb fertige Texte nur am Bildschirm korrigiert und redigiert werden können bevor sie in den Druck gehen. Schließlich zwingen die regelmäßigen Stromausfälle nicht selten zu Arbeitsunterbrechungen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist es verständlich, dass die Drucke nicht dieselbe Qualität aufweisen können wie hierzulande. Das trifft übrigens nicht nur auf den Observer zu, sondern auch auf größere Zeitungen. Es herrscht allgemein ein Mangel an ganz einfachen Dingen, die in deutschen Verlagen und Redaktionen im Überfluss bereitgestellt werden.

Qualitativer Journalismus – auch in Afrika? 

Sicher wirken diese Umstände auf jemanden, der aus einer hochentwickelten Industrienation kommt, wo ein hoher technischer Standard zum Alltag gehört, überaus befremdlich und erschreckend. In deutschen Medienhäusern sind die oben beschriebenen Zustände unbekannt und würden auch kaum akzeptiert werden.

Kann sich nun der Printjournalismus in Ghana - ein Land, in dem Meinungs- und Pressefreiheit erst seit 1992 verfassungsrechtlich verankert ist -  qualitativ mit dem der westlichen Welt messen?  Ist es möglicherweise zu gewagt, einen solchen Vergleich aufzustellen? Zahlreiche Länder des „Schwarzen Kontinents“ haben trotz den Missständen in politischen und sozialen Bereichen viel Potenzial und hier sticht Ghana mit seiner kulturellen Vielfalt in besonderem Maße hervor.

Die Redakteure des Ghanaian Observer sind gezwungen, sich mit der Situation in ihrem Büro abzufinden. Es fehlen sicherlich die Gelder, um das Büro technisch aufzustocken. Im Hinblick auf die Hindernisse bei der Arbeit, sind sie dennoch in der Lage Inhalte zu produzieren, die den Inhalten europäischer Printmedien in nichts nachstehen. Auch im Bereich des Layouts befindet sich der Ghanaian Observer auf einem modernen Stand: das Layout der Zeitung wird mit dem Programm Adobe InDesign erstellt. Bei der Beschäftigung mit verschiedenen Medienproblematiken kann man also durchaus mal den Blick ausweiten und über den europäisch-amerikanischen Tellerrand blicken. Denn qualitativer Journalismus und professionelle Redaktionsarbeit gibt es auch im sub-saharischen Afrika und wird zu Unrecht kaum beachtet.