Interview mit Christian Sprang und Christian Russ

Buchpreisbindung auch "in the cloud"?

11. Februar 2010
Redaktion Börsenblatt
Multimediale Inhalte, grenzüberschreitender Internethandel und neue Vertriebsmodelle stellen die Preisbindung von E-Books vor Fragen. Ein Interview mit Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang und Preisbindungstreuhänder Christian Russ.

Google und Amazon streben an, die elektronischen Bücher billiger zu verkaufen als vom Verlag angegeben. Wird die Preisbindung für E-Books von der Praxis eingeholt?

Russ: Es ist derzeit noch nicht absehbar, was die Online-Händler genau vorhaben. Apple will offenbar beim iBook Store die Preisregie den Verlagen überlassen, Google hat sich zumindest für Deutschland ähnlich geäußert. Das ist zunächst einmal ein positives Signal. Amazon weiß anscheinend selber noch nicht so genau, wie man mit deutschen Verlagen und Büchern umgehen soll. Den Verlagen wurden unterschiedliche Lizenzverträge vorgelegt, wonach Amazon sich die Preishoheit vorbehält. Allerdings hat meines Wissens noch kein Verlag unterschrieben. Und wenn es dazu kommt, muss gerichtlich geklärt werden, ob jemand in Deutschland E-Books preisfrei verkaufen darf oder nicht.

Besonders Fachverlage kritisieren, dass die Preisbindung für E-Books flexible Geschäfts- und Bezahlmodellen erschwert.

Sprang: Gesetzesregelungen haben eine gewisse Starrheit und können der Kreativität von Vertriebs- und Marketingmodellen Grenzen setzen, ­ was sich bei E-Books vielleicht schmerzlicher bemerkbar macht als im physischen Buchhandel. Auf der anderen Seite stehen die Vorteile des gebundenen und von den Verlagen festgesetzten Buchpreises. Es ist letztlich eine Abwägungsfrage, was man für besser hält. Die Kritik der Fachverlage an der Preisbindung für E-Books schoss übrigens hier und da sicherlich auch über das Ziel hinaus. So wurde teilweise übersehen, dass der Vertrieb von Datenbanklizenzen oder einzelner Buchkapitel durch das Buchpreisbindungsgesetz gar nicht beeinträchtigt wird.

Russ: Verlage wollen auf keinen Fall eine Situation wie in den USA, wo Amazon oder andere große Händler mit Niedrigpreisen für E-Books das Hardcover-Geschäft der Verlage kannibalisieren. Von vielen Verlegern bekomme ich zu hören: Sehen Sie nur zu, dass die Preisbindung von E-Books genauso konsequent durchgesetzt wird wie im Printbereich.

Die Preisbindung gilt nicht für grenzüberschreitende Verkäufe innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes. Wie will man bei E-Books aber solche Verkäufe verhindern?

Sprang: Ihre Frage ist falsch gestellt. Es geht nicht darum, grenzüberschreitende Verkäufe zu verhindern, sondern darum, ob für solche Verkäufe bei E-Books nicht von vorneherein auch die Vorgaben des deutschen Buchpreisbindungsgesetzes Anwendung finden und Verlage deshalb auch von Anbietern in der EU die Beachtung ihrer Preisvorgaben verlangen können.

Wie ist die Rechtslage bei Büchern "in the cloud", also solchen Publikationen, zu denen der Nutzer nur den Zugang gekauft hat, aber nicht das eigentliche Produkt?

Sprang: Es kommt auf die Auslegung an: Ersetzt das, was dort geschieht, den Handel mit einem physischen Buch? Das ist das relevante Kriterium unter dem Buchpreisbindungsgesetz. Es ist also rechtlich gesehen irrelevant, ob Downloads oder Zugänge verkauft werden.

Russ: Um den Text auf einem Endgerät lesen zu können, bedarf es einer lizenzpflichtigen Vervielfältigung, und sei es nur im Cache des Browsers. Auch die digitale Wolke hat daher Bodenkontakt. Die Verlage haben es also nach wie vor allein in der Hand, die Handelskonditionen zu bestimmen.

Wie sieht die Preisbindung bei iPhone-Apps aus? Auch hier ist der Rechteinhaber ja nicht ganz frei in der Preisfestsetzung, das Apple Preise mit 9 am Ende vorgibt, etwa 79 Cent?

Sprang: Grundsätzlich sehe ich da kein Rechtsproblem. Verlage können den Preis von Apple zu  ihrem gebundenen Preis machen und E-Books bei anderen Anbietern zu denselben 9-er Preisen abgeben. Das ist noch kein Angriff auf die Preisfestsetzungshoheit des Verlags. Abgesehen davon werden sich die Vorgaben von Apple sicherlich als verhandelbar erweisen und Apple sich bewegen, wenn man auf der derzeitigen Basis viele wichtige Inhalte nicht bekommt.

Der Verkauf im Bundle, also die Kombination von P- und E-Book, bietet sich
bei digitalen Büchern an. Was sagt hier die Preisbindung?


Sprang: Das ist der klassische Serienpreis, den die Preisbindung ermöglicht. Beide Formate zusammen dürfen jedoch nicht billiger sein als ein einzelner Bestandteil.

Bei multimedialen E-Books verschwimmen die Grenzen zwischen E-Book und
Software. Wann gilt die Preisbindung, wann nicht mehr?


Russ: Das entscheiden in Deutschland letztlich die Gerichte. Hier wird es in Zweifelfällen sicher auch wegweisende Urteile geben. Aus jetziger Sicht kann man sagen, dass sich das Preisbindungsgesetz immer nur auf solche Produkte bezieht, die Reproduktionen oder Substitutionen von Büchern sind. Der Charakter der Nutzung als Buch, also das Lesen, steht dabei im Vordergrund.

Wie wäre es bei einem E-Book mit Video-Sequenzen?

Russ: Das wäre ein Multimedia-Produkt, das nicht mehr preisgebunden sein wird.

Scheint so, als wäre vieles in Sachen E-Book-Preisbindung noch in Fluss.


Sprang: Insgesamt sollte man nicht panisch reagieren. Wir führen Diskussionen, die letztlich auf Spekulationen beruhen und noch nicht auf Verbraucher- und Anbieterverhalten in einem echten Markt.

Russ: Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als ich 1996 die ersten Statements abgegeben habe, wie das mit dem Internet so werden würde. Auch die phantasievollsten Vorstellungen wurden da schnell von der Realität überholt. Trotzdem: Auch damals galt es keineswegs als klar, dass sich die Preisbindung auch bei Internet-Verkäufen durchsetzen ließe - und es ist dennoch gelungen.

Wie andere Länder zur Preisbindung für E-Books stehen, lesen Sie in der aktuellen Printausgabe des Börsenblatts (Infos zum Abo).