Angefangen beim Klassiker „Das literarische Quartett“ bis zu neueren Formaten wie „Lese:Zeichen“ – es wird versucht, dem Zuschauer über den Bildschirm eine Lektüre schmackhaft zu machen.
Aber kann dies überhaupt passieren? Wie kann es funktionieren, dass das „Verdummungsmedium“ Fernsehen irgendwen dazu bringt, ein Buch in die Hand zu nehmen? Es bleibt nicht aus, das Medium selbst für einen kurzen Augenblick in den Fokus zu nehmen. Als vor etwas mehr als einem Jahr Marcel Reich-Ranicki bei der Verleihung des deutschen Fernsehpreises über die Qualität des Fernsehens wetterte, war die Zustimmung groß. Kurz darauf legte Elke Heidenreich in der Kritik nach, womit sie sich um den Job als Moderatorin des Formats „Lesen!“ im Fernsehen brachte und zur Moderatorin des Formats „Lesen!“ im Internet machte. Allein schon durch Heidenreichs übertreffendes Einstimmen in die Kritik von Reich-Ranicki wurde deutlich, welch gespaltenes Verhältnis zum Medium Fernsehen auf Seiten der Buchvertreter besteht. Es ist ein Herabschauen und der unbeirrbare Glaube daran, aus dem „großen Übel“ herauszustechen. Doch es fehlt schon am handwerklichen, um ein Format über Literatur interessant zu machen.
Kaum vorhandene Schnitte sind einfach ermüdend, Dialoge scheinen vollkommen konstruiert und Einspieler mehr eine notwendige Pflicht als weiterführende Information zu sein. Viel mehr haben diese Sendungen den Charme von Frontalunterricht und vergessen, dass das Fernsehen auch ein Unterhaltungsmedium ist. Brav wird in Sesseln herumgelungert und gesprochen. Es geht dabei nicht einmal um die Qualität der vorgestellten Lektüre, sondern viel mehr um deren Darbietung.
Warum macht sich sowas wie Unterhaltung nur in Formaten wie „Was liest du?“ mit Jürgen von der Lippe breit? Die Bücher müssen dem Zuschauer nicht einmal gefallen, trotzdem kann er sich die Sendung anschauen, weil sie ihn eben hauptsächlich unterhält. Es mag Geschmackssache sein, ob einem Komiker wie Carolin Kebekus oder Michael Kessler liegen. Doch bringen sie ohne Zweifel eine interessante Note mit ein und vermitteln vor allem das Motto der Sendung: Lesen macht Spaß! Dabei passiert auf dem Papier in dieser Sendung auch nicht viel mehr als bei „Die Vorleser“.
Ein weiteres interessantes Format ist „Lese:Zeichen“, das auf Bayern Alpha ausgestrahlt wird. In einer Mischung aus unterschiedlichen, kurzen Beiträgen werden Autorenporträts und Texte präsentiert, dazu meist mit guten Hintergrundinformationen. Hinzu kommt der Kniff, dass ein Kamerateam Leute auf offener Straße anspricht und nach deren Lektüre befragt. Eine Mischung aus Freude und Neugier macht sich beim Zuschauer breit. Diese Methode ist nicht einmal wirklich innovativ, aber lockert das Format einfach auf.
Die Perspektiven und Möglichkeiten, eine Sendung interessanter zu gestalten, sind also definitiv vorhanden, aber sie werden nicht genutzt. Vermutlich ist die Angst zu groß, sich an das Medium Fernsehen anzubiedern. Es würde das Stammpublikum nur vergraulen, das sich in den bekannten Strukturen und Sehgewohnheiten wohl fühlt. Der Vorwurf von oben, der alle anderen Sendungen treffen soll und sich über die seichte Unterhaltung echauffiert, trifft ebenso auf die Literatursendungen zu. Der Experimentiercharakter bleibt auf ein Minimum reduziert und das Buch wird als das Medium für „intelligente Menschen“ verkauft.
Das Medium Fernsehen kann es leisten, Literatur zu vermitteln. Es ist nur eine Frage, wie sich das Format selbst präsentiert. Verschiedene neue Konzepte könnten solchen Formaten auf die Sprünge helfen und sie interessant machen, so dass diese nicht versteckt im Nachtprogramm vor sich hin vegetieren müssten. Die Lektüre selbst kann aber nicht ersetzt werden.