Die Reforminitiative des nordrhein-westfälischen Landesverbands im Börsenverein, dessen Vorstand eine Fusion mit dem Bundesverband anstrebt (siehe Börsenblatt 7 / 2010), hat eine intensive Debatte über das Für und Wider dieser Idee ausgelöst. Während Befürworter des Düsseldorfer Vorstoßes die Zeit für organisatorische Verschlankung und Senkung von Kosten wie auch Beiträgen für gekommen halten, warnen Kritiker vor einem Verlust regionaler Identität und Mitgliedernähe und bezweifeln, dass sich auf dem von NRW vorgeschlagenen Weg überhaupt signifikant niedrigere Beiträge erreichen lassen.
»Der Bundesverband in Frankfurt nützt mir mit meinen Problemen als kleiner Sortimenter nichts«, klagt der Bremer Buchhändler Tilman Sieglin auf Anfrage von boersenblatt.net. Seine Erfahrung nach dem Zusammengehen von Bremen-Unterweser mit Niedersachsen: Der Verband finde »in Bremen faktisch nicht mehr statt. Die Entfremdung nimmt mit der Entfernung zu.«
Dem Fusionsgedanken gegenüber vorsichtig aufgeschlossen zeigt sich die Sortimenterin Ursula Hilberath aus Mülheim an der Ruhr. Unabdingbar sei, »dass die exzellente Arbeit des Landesverbands NRW im Bundesverband weitergeführt wird«. Eine erste gemeinsame Sitzung beider Vorstände habe immerhin gezeigt, »dass wir durchaus auf Augenhöhe verhandeln können«.
Viel zu schnell« geht das Vorpreschen der Nordrhein-Westfalen dem Geschäftsführer des baden-württembergischen Verbands. »Warum redet man nicht erst einmal mit den Kollegen?«, fragt Johannes Scherer Richtung Düsseldorf. Aus seiner Sicht ließen sich Synergieeffekte »auch durch die Bildung größerer Einheiten unter den Kollegenverbänden« erzielen. Für nicht glaubwürdig hält Scherer das Inaussichtstellen deutlich sinkender Mitgliedsbeiträge. »Da würde ich gern die Rechnung einmal nachprüfen wollen und ihr meine eigenen Zahlen entgegenhalten.«
Die Sorge um Identitätsverlust ist für Regine Lemke, Geschäftsführerin des Landesverbands Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, der entscheidende Einwand gegen Fusionen. »Wir haben hier in 20 Jahren schon so etwas wie ein Wir-Gefühl aufgebaut. Unsere Mitglieder kommen zu den Hauptversammlungen, sie kennen die Ehrenamtlichen. Wenn unser Ehrenamt wegfallen würde, wäre das sehr schädlich für die Identität in SaSaThü.«
Als »überfällige Entwicklung« hat hingegen Thieme-Verlagsleiter Martin Spencker die angestoßene Reform der Verbandsstrukturen begrüßt. Dem »Buchreport« sagte Spencker, die Egoismen der in den Landesverbänden tätigen »Funktionäre« hätten eine gut abgestimmte Arbeit zwischen dem Bundesverband und den Ländern verhindert. Im Abbau föderaler Strukturen sieht Spencker die Chance, »die Handlungsfähigkeit des Gesamtverbandes weiter zu stärken«. Ähnlich denkt die Münchner Verlegerin Rosemarie von dem Knesebeck: »Ich bin der Meinung, dass es auch für den Börsenverein an der Zeit ist, zu strafferen Organisationen überzugehen.«
Anders argumentieren Johanna Hahn und Detlef Bluhm, die die Geschäfte des Landesverbands Berlin-Brandenburg führen. Nicht Ballast würde bei dem Fusionsvorhaben abgeworfen; über Bord ginge vielmehr »die politische Dimension der Verbandsarbeit, die nicht nur, aber überwiegend für kleinere und mittlere Unternehmen an die Existenz der Landesverbände geknüpft ist«. Die Berliner fragen, wohin sich der Börsenverein ohne die »demokratischen Entscheidungsprozesse« in den Landesverbänden entwickeln würde: »Bleibt er ein Gesamtverein, der für alle Branchenteilnehmer spricht, egal ob es sich um ein kleines oder großes Unternehmen handelt, um eine Buchhandlung oder einen Verlag? Wer wird darin den Ton und die Richtung angeben?«
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