Wer immer in Leipzig sich für Buchkultur und Verlagsgeschichte interessiert, war auf den Beinen, dazu reichlich Gäste: Aufbau-Verleger Matthias Koch etwa oder die verlegerischen Geschäftsführer von Aufbau und Kiepenheuer und Witsch, René Strien und Helge Malchow. Dazu Bernd Schmidt vom Kiepenheuer Bühnenvertrieb oder Magdalena Kiepenheuer-von Bismarck, eine Enkelin Gustav Kiepenheuers. In Leipzig wurde nicht gefragt, welches nun der "eigentliche" Kiepenheuer Verlag, wohl aber, was ein Verlag in Zeiten des medialen Umbruchs überhaupt sei – im Idealfall eben nicht nur eine "ökonomisch ausgerichtete Einheit", sondern eine "wirtschaftlich-kulturelle Institution". Ein weites Feld.
Fast zwangsläufig brachte die Eröffnung, die ein spannendes Stück deutsch-deutscher Geschichte erzählt, auch hübsche Geschichten zu Tage: Etwa jene, in der Helge Malchow, damals noch junger Lektor, zur Vorbereitung eines Buchs über die dissidentische DDR-Literaturszene ("Berührung ist nur eine Randerscheinung", 1989) auf die Leipziger Buchmesse reiste, jedoch von einem seiner Herausgeber, Sascha Anderson, bei der Stasi verpetzt wurde. Malchow musste eine Nacht in Stasi-Gewahrsam verbringen, "an das Feldbett und die kratzige Decke kann ich mich noch gut erinnern". Späte Gerechtigkeit: Jan Faktor, einer der Prenzelberg-Autoren von damals, ist nun für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.
Läuft alles wie geplant, wird man solche und andere Geschichten womöglich nachlesen können. Lokatis und seine rührigen Studenten wollen im Sommer einen Ausstellungskatalog erarbeiten. Ein Verlag sollte sich ja wohl finden? Und KiWi, so verriet Helge Malchow, wird nächstes Jahr eine Studie von Frank Möller zu Leben und Wirken von Joseph Caspar Witsch vorlegen, die hoch spannendes Material zu dieser schillernden Figur der Nachkriegs-Verlagsgeschichte ans Licht holt.
Ach ja, die Buchstadt: Vor zwei Monaten endete in Leipzig, nach 110 Jahren, mit Insel die Geschichte ihres wohl schönsten Verlags, der zu DDR-Zeiten zur Verlagsgruppe Kiepenheuer gehörte. Das Leipziger Insel-Archiv soll sich bereits in Marbach befinden; dennoch strahlt die Insel auch in der Ausstellung: Ganz am Ende, in einem Winkel, als Suhrkamp-Leihgabe: Gustav Kiepenheuers Stehlampe mit Motiven der "Manessischen Liederhandschrift".