Medienkompetenz: Stirbt das klassische Buch aus?

8. März 2010
Redaktion Börsenblatt
Wir befinden uns in einer Zeit des Medienwandels, der alle Bereiche des Lebens zweifellos durchdringt. Selbst vor einem jahrtausende altem Informationsträger macht diese Entwicklung nicht mehr halt. Die Rede ist vom konventionellen Buch, das in den letzten Jahren durch Hörbücher, Internet, E-Books und Mobile Books vermehrt Konkurrenz erhalten hat. Zunehmend wird daher behauptet, es würde seinen guten Ruf als Kulturgut verlieren, so dass es in naher Zukunft verschwindet. Ein anderes Phänomen geht damit einher: Es erfordert bei der Nutzung des World Wide Web mit seinen kurzen oder längeren Texten, Bildmaterialien, Audio-Dateien, Videos oder Podcasts eine spezielle Kenntnis zum richtigen Umgang – die sogenannte Medienkompetenz.
Was versteht man unter diesem Begriff? Über die Lese- und Schreibkompetenz hinausgehend ist mit Medienkompetenz eine Fähigkeit gemeint, mit der man je nach Bedürfnis und Zweck das geeignete Medium auswählt. Entscheidend ist zudem, ob der Nutzer weiß, wie er sie sinnvoll gebrauchen kann. In den Alltag übertragen wird am Frühstückstisch die Zeitung gelesen, auf dem Weg zur Arbeit mit dem Auto Radio gehört, am Arbeitsplatz die eingegangenen E-Mails angeschaut, in einer Weiterbildung mit Beamer das Schulungsthema einer PowerPoint-Präsentation verfolgt, nach Feierabend mit dem Handy eine SMS an Freunde für ein Treffen am Wochenende versendet, im Internet gesurft und getwittert, um kurz vor dem Gang ins Bett in das nächste Kapitel eines Thrillers auf dem E-Book einzutauchen. So sieht der Alltag eines Mediennutzers von heute aus. Hier stellt sich nun die Frage: Wird das konventionelle Buch noch genutzt? Man könnte das Gegenteil meinen. Denn durch die zunehmende Freizeit und das rasante technologische Wachstum der Vergangenheit wurden zahlreiche mediale Möglichkeiten geschaffen, die das Interesse des modernen Users wecken.

Aus den täglichen Informationsfluten an Nachrichten und Werbung auszuwählen, heißt wichtige und nebensächliche Botschaften voneinander zu unterscheiden. Doch deren Inhalte auch zu verstehen und kritisch reflektierend zu bewerten, verdeutlicht einen weiteren Aspekt. Sich mit den Medien auseinander zu setzen, sie beurteilen zu können, von und mit ihnen zu lernen, steigert ihre Akzeptanz in der sozialen Gemeinschaft. Eine pädagogisch wertvolle Medienerziehung sollte dabei rechtzeitig berücksichtigt werden.

Schon bei den kleinsten Mitbürgern erfolgt früh der Kontakt zu elektronischen Medien, woran sich rasch der regelmäßige Gebrauch anschließt. Wenn sonst das erste Bilderbuch die Entdeckungsreise in die Welt des Lesens ebnete, sind nun blinkende, klingelnde Handys doch viel interessanter. Selbst vor dem zu Bett Gehen wird der Medieneinsatz mittels einer Höspiel-CD dazu genutzt, beim Einschlafen zu helfen. Und wie sieht es bei den größeren Kids aus? Falls die eigene Peer-Group doch eher Playstation, Wii, icq oder YouTube bevorzugt, sollte man sich als zugehöriger Teeny natürlich anpassen, damit man den Anschluss nicht verliert und womöglich ausgeschlossen wird. Ein Triumph für die Medienkompetenz! Allerdings lässt der Leseknick in der Pubertät mit Sicht auf die Lesekarriere das Buch aus mangelnder Begeisterung links liegen.

Aber irgendetwas stimmt an diesem Bild nicht ganz. Denn warum kann man immer noch in etlichen Buchhandlungen die aus Papier gemachten, haptisch erlebbaren Zeichenträger erwerben? Eine Erklärung könnte der Buchliebhaber sein, der den elektronischen Schnickschnack vehement ablehnt und seiner Leidenschaft weiterhin in einem stationären Ladengeschäft frönt. Andererseits wächst zugleich die Anhängerschaft der „Von-zu-Hause-aus-Käufern“, die ihre Wunschtitel über den Einkauf im Web-Shop der Lieblingsbuchhandlung an die heimische Adresse liefern lassen. Demnach ist der technische Fortschritt schon längst zu den Buchnutzern vorgedrungen. Ähnlich sieht es bei Books-on-Demand aus. Mit einer Bestellung über das Internet oder den Buchhändler vor Ort kann ein als Datei verfügbares Werk binnen weniger Tage physisch erzeugt und bezogen werden.

Außerdem wird der Trend zum Buchkaufhaus für die ganze Familie zum Erlebnis, denn für jeden ist etwas dabei. Die Oma findet endlich ein umfangreiches Muffin-Backbuch, der Vater informiert sich über das Anlegen eines Gartenteiches in einem Fachbuch, die Mutter sucht sich fürs Wochenende einen spannenden historischen Roman aus, der große Bruder zieht sich den neuesten Manga zu Dragonball rein und die kleine Schwester fragt den Opa, ob er ihr ein Lillifee-Buch kauft. Abends findet dann noch für die Eltern in jener Sortimentsbuchhandlung die Lesung eines regional bekannten Autors mit anschließender Signierstunde statt, so dass die Großeltern auf die beiden Enkelkinder aufpassen und gemeinsam Uno spielen.

Des Weiteren greift man gern mal zu einem guten Buch, um die Augen nach der Arbeit zu entspannen oder die Leseposition zu verändern. Den steigenden Computereinsatz im Job oder Studium möchte man sich nicht auf Dauer den ganzen Tag über zumuten müssen. Auch um nur mal schnell etwas nachzuschlagen, ist es unnötig, für fünf Minuten den PC anzumachen. Auch beim Lernen für die Schule sollte das Lesen im Lehrbuch oder etwas mit der Hand in einem Arbeitsheft zu schreiben nicht unterschätzt werden, denn Voraussetzung der Medienkompetenz ist immer noch die Lesekompetenz, die als Grundlage die Zeichenerkennung und die darauf aufbauende Lesefähigkeit beinhaltet.

Abschließend ist also festzuhalten, dass das Medium Buch in unserer digitalen Gesellschaft weiterhin genutzt wird. Das Gerücht, es sterbe aus, kann nicht stimmen! Es lebt nach wie vor, denn triftige Gründe liegen auf der Hand. Zudem wird es je nach Gebrauchsart gleichberechtigt neben E-Reader, iPhone oder Fernseher verwendet, deren Nutzung mit der Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation in einer digitalen Welt einhergeht.