Leipzig ist Musik- und Kunststadt, Festivals werden gleich im Dutzend gefeiert: Bachfest, Jazztage, Dokfilmwoche, selbst eine Lachmesse gibt es in der Stadt mit Europas höchster Kabarettdichte. Die Leipziger lieben diese Superlative und waren entsprechend amused, sich vor einigen Wochen in der "New York Times" lobend erwähnt zu finden: Unter der Überschrift "31 Places to Go in 2010" legte die gute, alte Tante ihren Lesern Reiseziele ans Herz, die es heuer keinesfalls zu verpassen gelte. Welche Freude, Leipzig in diesem Ranking auf Platz 10 zu finden – wenn auch aus unerfindlichen Gründen zwischen der Antarktis und Los Angeles!
Schade, dass das verlässlich gut informierte Blatt ("All the news tat’s fit to print") seinen Reisetipp nur mit Rauch, Schumann und Bach unterfütterte. Dabei sind die vier Buchmessetage in Leipzig seit eh und je eine Art Ausnahmezustand, eine fünfte Jahreszeit. Noch ist es ruhig in der Stadt.
Endlich: Frühling!
Während auf dem Messegelände in Neuwiederitzsch fleißig Stände aufgebaut und Bücher angekarrt werden, tritt der so händeringend wie eine Konjunkturaufhellung herbei gesehnte Frühling noch auf der Stelle. Doch spätestens am Mittwoch werden alle Kneipenwirte ihre Wärmepilze herein-, Tische und Stühle auf die Straße rausrücken, definitiv.
Für Messe-Chef Oliver Zille sind Temperaturen im zweistelligen Bereich Ehrensache. Das Stadtmarketing ist indes auf Gender-Mainstreaming-Kurs: Für die Buchmesse wirbt auf riesigen Plakatwänden keine exotische Schöne, sondern Claudius Nießen.
Der umtriebige Hans-Dampf des Leipziger Literaturbetriebs, Geschäftsführer des Deutschen Literaturinstituts und Erfinder der "Langen Leipziger Lesenacht" in der Moritzbastei, ist Top-Model für "Leipzig liest". Wir, die Fans dieses Marathons, werden auch in diesem Jahr nicht ohne festes Schuhwerk, ein 96-stündiges Schlaflosigkeitsgelübde und das sage und schreibe 430 Seiten dicke Programmheft des Festivals auskommen.
Die Spannung steigt
Natürlich, die Buchmesse wird auch in diesem Jahr im Gewandhaus eröffnet; in ein paar Stunden ist es soweit. Ihre volle Betriebstemperatur aber, dazu bedarf es keiner hellseherischen Gaben, dürfte sie morgen Nachmittag, pünktlich 16 Uhr, erreichen: Dann sitzen Autoren, Verleger und Kritiker einträchtig unter der Glashallenkuppel, dann werden letzte Wetten abgeschlossen, Schweißtropfen von Lektorenstirnen getupft und Kameras in Position gebracht.
Der Preis der Leipziger Buchmesse geht an...? Bis es soweit ist, versuchen wir Messe-Blogger, noch eine Mütze Schlaf zu bekommen, etwas wirklich Gesundes zu essen und unsere Nase – wenn dann noch Zeit ist – in das ein oder andere Buch zu stecken. Auf bald – in Leipzig!