Buchjournal-Talk mit Uwe-Karsten Heye und Bärbel Dalichow

Zerbrochene Illusionen

18. März 2010
Redaktion Börsenblatt
Sie träumten den Traum von einem besseren Land, doch erlebten das bittere Ende aller Illusionenen: In ihrem Buch "Wir wollten ein anderes Land" berichten der Journalist Uwe-Karsten Heye und die Potsdamerin Bärbel Dalichow von einer ganz besonderen Famliengeschichte aus der DDR. Beide Autoren waren Gast im Buchjournal-Talk bei der Leipziger Buchmesse.

Es war ein großer Traum, den die Menschen nach 1945 in Ostdeutschland träumten: Ihr Land sollte friedfertiger und gerechter sein und selbst den Benachteiligten und materiell schlecht gestellten Menschen eine Chance bieten. Es sollte anders sein als Nazideutschland und anders als das kapitalistische Bundesrepublik. Diesen Traum, meinte Uwe-Karsten Heye beim Buchjournal-Talk im Sachbuchforum, sollte man aus der heutigen Sicht nicht zu gering schätzen. "Es ist wichtig, die DDR nicht nur immer vom Ende, vom Stasiland, sondern von ihrem Anfang zu sehen."

Als der Journalist, ehemalige Sprecher der Bundesregierung und heutige Chefredakteur des "Vorwärts" nach Potsdam gezogen war, lernte er die Filmwissenschaftlerin Bärbel Dalichow kennen, die heute Direktorin des Filmmuseums Potsdam ist. Die Geschichte ihrer Familie nahm ihn gefangen, antwortete Heye auf die Frage von Buchjournal-Redakteurin Sabine Schmidt, wie er zum Thema seines Buches gekommen sei.  

Über die Bekanntschaft mit Bärbel Dalichow kam Heye auch mit ihren Eltern in Kontakt, Brunhilde und Helmut Hanke. Sie war Oberbürgermeisterin von Potsdam, er Professor für Kulturwissenschaften. "Mein Vater hat den scharfen, analytischen Verstand und war ein brillanter Redner, meine Mutter ist der gefühlsbetonte, pflichtbewusste Mensch." Und beide, erzählte Dalichow auf dem Podium, lebten diesen Traum vom besseren System, einer besseren Gesellschaft, die im Osten Deutschland entstehen sollte.

Die Hankes waren eine sozialistische Musterfamilie – trotz aller Zweifel, die sie beschlich, je länger die DDR exisitierte. Das Buch erzählt ihre Geschichte, erzählt, wie Tochter Bärbel rebellierte gegen Unfreiheit, Reglementierung und Bespitzelung. "Angesichts dieser Konstellation ist es ein Wunder, dass diese Familie nicht zerfallen ist", blickte Dalichow auf ihr Leben in der DDR zurück. Doch alle drei standen nahe am Abgrund: Helmut Hanke wurde psychisch krank, Brunhilde Hanke konnte die Politik nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinen und Tochter Bärbel, die zeitweise die Republikflucht plante, stellte fest, dass ihr Ehemann sie an die Stasi verraten hatte.

Doch warum jetzt, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer dieses Buch, fragte Sabine Schmidt? Die Ideale der Menschen beim Aufbau eines Sozialismus mit menschlichen Antlitz wurden bitter enttäuscht, sagte Heye. "An diese Menschen, die um ihre Lebensleitung betrogen worden sind, soll das Buch erinnern und es soll dazu beitragen, eine andere Sicht auf die DDR zu ermöglichen."

Uwe-Karsten Heye / Bärbel Dalichow: "Wir wollten ein anderes Land". Eine Familiengeschichte aus der DDR. Droemer, 288 Seiten, 19,95 Euro